Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
absonderlichen Gedanken wird er sich später widmen, zumal er momentan ohnehin nicht weiß, wie das möglich sein soll. Erst einmal gilt es, ihr Vertrauen zu gewinnen, Zeit mit ihr zu verbringen, ihr zu vermitteln, dass er nicht der Unhold ist und für den sie ihn offensichtlich hält. Zumindest nicht von jener Sorte, denen sie wohl in der Vergangenheit begegnete.
Doch eines kann und sollte er nicht mehr leugnen: Er will genau sie – Josephine Kent.
Die macht übrigens keine Anstalten, ihn anzusehen. Beharrlich starrt sie auf ihre Finger, die sich mal wieder im Schoß verkrampft haben. Andrew muss unbedingt etwas sagen, nur leider fällt ihm partout nicht ein, was! Und so nimmt er schließlich behutsam ihre linke Hand, achtet allerdings darauf, nur deren Innenseite zu berühren. Das jedenfalls hat sie vorher schon geduldet. Sie fährt zusammen, atmet aber weiter und Andrews erneut aufgekeimtes, panisches Herzklopfen legt sich ein wenig. Sein Räuspern klingt noch immer bemerkenswert rau.
»Josephine?«
Als sie endlich zu ihm aufschaut, hört er wie Gail das Vorzimmer betritt. Verdammt! Eilig steht er auf, obwohl er nicht die geringste Ahnung hat, warum! Als sie im Raum erscheint und er ihre erhobenen Augenbrauen wahrnimmt, weiß er es. Das steigert seine Stimmung auch nicht sonderlich. Auffordernd hält er seiner Assistentin die Hand entgegen.
»Die Schuhe!«
»Wie bitte?«
Seine Miene ist eisig – ebenso wie der Ton. »Die Schuhe, Gail!«
Ärgerliche zwanzig Sekunden vergehen, bevor sie ihm die Tüte reicht. »Bitte, Sir. Ich hoffe, sie passen.«
Das übliche knappe Nicken erfolgt von Andrews Seite. »Sie können dann gehen.«
Frecherweise wird diese Anweisung zunächst ignoriert. Immer wieder sieht sie zum blassen Mädchen auf der Couch und erst, als er drohend die Augen aufreißt, macht sie langsam kehrt und verlässt das Büro. Jedoch nicht, ohne ihn zuvor noch einmal äußerst streng gemustert zu haben.
Das darf nicht wahr sein! Leider muss die Ahndung dieser bodenlosen Frechheit warten, vorerst hat er sich der verschreckten Miss Kent zu widmen und vor allem deren Schuhen. Es handelt sich um irgendwelche blauen Dinger – Pumps nennt man die, glaubt Andrew zumindest zu wissen. Nach wie vor hat sie nicht aufgesehen, und einen Moment lang steht er ziemlich ratlos vor ihr.
»Josephine?«
Sie wirkt wie versteinert, daher geht er nach flüchtigem Zögern in die Knie und versucht selbst sein Glück. Eine ungeahnte Herausforderung, wie sich kurz darauf erweist, ihr Fuß scheint nämlich nicht die richtige Form für den Schuh zu besitzen. Was hat Gail denn für einen Dreck gekauft, das ist doch definitiv die verkehrte Größe! Andrew droht soeben, auf gesamter Linie zu versagen – was ihn einigermaßen verunsichert. So etwas geschieht ihm nie! Aber dann vernimmt er ein seltsames, unbekanntes Geräusch. Nicht, dass es unangenehm wäre, ganz im Gegenteil: Es klingt sogar in höchstem Maße reizend. Versuchsweise blickt er auf und siehe da! Mit vorgehaltener Hand kichert sie.
Das Mädchen lacht ihn tatsächlich aus!
Dafür, dass seine Assistentin an ihrem ersten Arbeitstag auf seiner Couch sitzt und sich über ihn lustig macht, bleibt er bemerkenswert gelassen. Verlegen grinst er. »Was habe ich übersehen?«
»Es ist der falsche Fuß!«
Stirnrunzelnd betrachtet er den Schuh und seufzt. Ja, Norton, du Idiot! »Darf ich allein?«, wispert es direkt über ihm und er sieht wieder auf.
Ihr Blick ist flehend und Andrew von einer Sekunde zur anderen zu keiner sinnvollen Antwort mehr fähig. Genau genommen handelt es sich überhaupt nicht um Augen, sondern Waffen! Riesige, grüne, glänzende, so arglos wirkende Mordwerkzeuge!
Beim nächsten Herzschlag steht er, irgendein verborgener Instinkt hat sich plötzlich in ihm gemeldet. Eine Warnung. Dies ist nicht ... normal! Sie bringt Seiten in ihm zum Vorschein, die ihm bislang völlig unbekannt waren. Er vernachlässigt seine Arbeit, seine Aufgaben und Verpflichtungen; in ihrer Nähe vergisst er seine Stellung, was er, wer er ist.
Oberste Regel: Lass unter keinen Umständen zu, dass dein Leben durcheinandergebracht wird! Dulde kein Chaos!
Doch diese Miss ich wirke so unschuldig, aber in Wahrheit bin ich gefährlicher als Nitroglyzerin, Kent ist soeben im Begriff, Andrew in ein bodenloses Chaos zu stürzen.
Distanz!
Unwillkürlich weicht er noch einmal rückwärts. Schon besser, als habe diese unvorstellbare Anziehungskraft ein wenig nachgelassen und es
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