Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
herein
»Geht runter, ich hab das Frühstück vorbereitet.« Sie küsst Sebastian und er mustert kritisch die dunklen Schatten unter ihren Augen.
»Wirklich?«
»Mach dir um mich keine Sorgen, ich habe mich wieder gefangen.« Besorgt schaut sie zu Andrew, der jetzt doch eingeschlafen ist – vorübergehend. Sein Lächeln ist bereits verschwunden, die Lider sind viel zu fest zusammengekniffen, und allen ist klar, dass in ungefähr fünf Minuten die Tränen kommen und in sechs das Schreien beginnen wird.
Sebastian fragt sich ganz ehrlich, was er wohl in dieser Situation tun würde. Inzwischen ist er sich nicht mehr sicher.
Vorsorglich fesseln sie Andrews Handgelenke, denn Claudia kann ihn im Notfall nicht aufhalten. Keine Ahnung, woher der Schatten Andrew Nortons seine Kraft nimmt, aber sie reicht aus, um beide Männer im Atem zu halten.
Dann begeben sie sich nach unten. Der Tisch ist tatsächlich gedeckt und der anheimelnde Geruch von Eiern, Speck und frischem Kaffee wirkt wie eine Wundermedizin. Endlich etwas Normalität in dem sie umgebenden Irrsinn. Kaum haben sie sich jedoch gesetzt, klopft es an der Tür und Sebastian geht, um zu öffnen, Frank folgt.
Vor ihnen steht ein großer, zum Fettansatz neigender Mann, mit dunklem, relativ kurz gehaltenem Haar, in dem sich bereits die eine oder andere silberne Strähne findet. Er trägt abgewetzte Jeans und ein weißes Hemd unter einer uralten Lederjacke. Sein Gesicht macht trotz der Hornbrille einen jugendlichen Eindruck, obwohl er mindestens die Vierzig hinter sich gelassen hat. Aus dem Augenwinkel bemerkt Sebastian eine Harley Davidson auf dem Schotter der Einfahrt.
»Ja?«
Der Typ grinst. »Mein Name ist Andy Dean. Stephen hat mich angerufen. Wie ich hörte, braucht ihr meine Hilfe?«
Sebastian starrt ihn an, als würde er in einer fremden Sprache faseln.
»Für Andrew«, fügt der Typ hinzu und das Grinsen verschwindet.
Der Riese nickt, weil er nicht wirklich etwas sagen kann, lehnt sich entkräftet an das Gemäuer neben dem Eingang und rutscht langsam zu Boden.
Er hat alles gegeben, ehrlich, er hat den gottverdammten Helden gespielt.
Aber jetzt – ganz ehrlich ...
Jetzt ist Sebastian fertig.
Vorschau auf den zweiten Teil:
Urteil Leben:
Hoffnung
Prolog:
E igentlich hat er überhaupt keine Zeit.
Seine Praxis läuft so gut wie nie. Je mehr Schlipsträger es gibt, desto ausgebuchter sind die Seelenklempner. Doch wenn Stephen ruft, ist Andy zur Stelle. Das hat der bisher noch nie getan, weshalb Andy sogar doppelt so schnell parat steht.
Das Anliegen seines alten Kumpels klang am Telefon recht simpel: »Würdest du dir meinen Sohn Andrew ansehen und mit ihm sprechen? Ich denke, er braucht dringend Hilfe und würde vorab gern deine Meinung hören.«
Andy benötigt einige Tage, um einen freien Vormittag einzuschieben. Aber Stephen hat sich nicht unbedingt panisch angehört. Ist sein Sprössling nicht dieser Norton von der Trust? Dieser Yuppie? Da muss man nicht lange rätseln, worum es sich handelt. Burn–out! Mit knapp dreißig und als Chef einer Holding kommt das wohl zwangsläufig.
Der Freitag bietet sich an, daher steigt Andy nach dem Frühstück auf seine Harley und fährt zu dem riesigen Kasten, der sich Haus schimpft. Diese steinreichen Typen pflegen alle irgendein Problem. Nicht, dass er damit ein Problem hat, im Gegenteil, die sind schließlich Grundlage für seinen Lebensunterhalt. Trotzdem: Wie kann man allein in einem solchen Palast existieren?
Grinsend parkt er Luise neben einem aufgemotzten Cabriolet und begibt sich zum Eingang. Eine Klingel findet er nicht – dieser Yuppie mag offensichtlich keinen Besuch – doch Andy hebt unbekümmert die Schultern und klopft beschwingt.
Und als sich die Tür öffnet, verändert sich sein gesamtes Leben …
1. Dreamteam, Frankenstein und ein Geist
Der Hüne in der Tür wirkt müde, als hätte er zu ausufernd gefeiert. Der etwas kleinere und ältere, jedoch immer noch beachtliche Kerl hinter ihm, ist offenbar auch nicht mehr taufrisch. Prüfend beäugt Andy die Augen des großen Mannes, der ihn ausdruckslos anstarrt. Rot, aber die Pupillen scheinen in Ordnung. Also definitiv keine Drogen.
Er grinst. »Mein Name ist Andy Dean. Stephen hat mich angerufen. Wie ich hörte, benötigt ihr meine Hilfe?«
Der Blick des Riesen ist nach wie vor nichtssagend, und ganz langsam verschwindet Andys gute Stimmung. Was ist hier los? »Für Andrew?«, fügt er behutsam hinzu.
Eine Antwort bleibt Goliath ihm
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