Feuer und Wasser (Urteil: Leben!) (German Edition)
schlecht operierte Hasenscharte nur ungenügend verdeckte. Die Aussprache ist aufgrund des Geburtsfehlers immer ein wenig unsauber, und seine Kleidung erweckt den Eindruck, als hätte er sie sich aus der Altkleidersammlung zusammengeramscht. Doch dessen ungeachtet ist er der fähigste Leiter von Andrews unternehmensinterner Sicherheitsabteilung, den der je beschäftigt hat. Seit knapp fünf Jahren ist er für den Konzern tätig und hat bisher nie versagt.
Rücken–Finch macht derweil keine Anstalten sich umzudrehen. Irgendwann räuspert Andrew sich vernehmlich, was der fette Heini anscheinend vernimmt, denn er fährt abrupt herum, während das Schloss hinter ihm einrastet. »Guten Tag, Mr. Norton.«
»Finch!« Andrews Ton ist mal wieder voll Eis, wofür er einen verwunderten Blick kassiert. Doch dann hebt der Alte gleichmütig die Schultern und setzt sich. »Sie wollten mich sprechen, Sir?«
»Ja ...« Vergeblich versucht der Konzernchef, seinen Ärger zu bezwingen. In all den Jahren hat er Finch kein einziges Mal die Kontrolle über dessen gleichbleibend teilnahmsloses Auftreten verlieren sehen. Und wer hat diese grandiose Erfolgsserie beendet? Natürlich!
Miss ich muss aber auch jedem beschissenen Mann den Kopf verdrehen! Kent!
Wenn man vom Teufel spricht ... In diesem Moment öffnet sich die Tür und sie erscheint – nach wie vor im kurzen bunten Sommerkleid, mit offenem Haar, atemberaubend und sein!
›Mein, Finch!‹
Der hat sich zu ihr umgewandt, während Josie behutsam die Tasse zu den beiden Männern trägt. Seine Lippen verziehen sich zu einem Grinsen, während sich die Züge des Vorstandsvorsitzenden gleichzeitig verhärten. Arschloch!
Als sie den Tisch erreicht, ist ihr Aufatmen hörbar. Vorsichtig stellt sie das Porzellan vor dem fetten Sicherheitsidioten ab und dann lächelt sie ihn an!
Sie lächelt ihn tatsächlich an!
Norton, du Blindgänger, reiß dich zusammen! Sie macht nur ihren Job! Wie war das mit dem Versüßen?
›Sicher! V–e–r–s–ü–ß–e–n! Es war aber nie die Rede davon, gleich seinen ganzen Körper in Honig zu wälzen!‹
Oh Mann, ich geb’s auf!
»Sie können dann gehen!«
Miss ich werde nachher ein äußerst intensives Gespräch mit meinem Boss führen, weiß es nur noch nicht, Kent wirft ihm einen fragenden Blick zu, der neben der Verwirrung auch leichte Furcht erkennen lässt. Doch Andrew geht nicht darauf ein. Er ist derzeit zu außer sich. Nachdem sie ihn ausgiebig beäugt hat, wird sie bleich. Und jetzt passiert wieder etwas, was sie zu dem seltsamsten Wesen macht, dem er jemals begegnet ist: Kaum ist die Furcht in ihren Augen greifbar, wird sie durch Zorn ersetzt und ihr »Ja, Sir!«, klingt äußerst aufgesetzt, bevor sie auf dem Absatz kehrtmacht und aus dem Raum rauscht.
Für einen grausamen Moment befürchtet Andrew, dass sie fallen wird. Kein echtes Problem – nun, für sie möglicherweise schon, für ihn mit Sicherheit nicht. Dann kann er wenigstens ihre dämlichen Benimmregeln im Büro umgehen und sie auffangen oder ihr zumindest wieder aufhelfen. Doch er sitzt hinter dem Schreibtisch und Finch davor. Der Invalide wäre trotz Übergewicht schneller. Und wenn dieser Penner auf die Idee kommt, sie mit seinen gichtkranken Krallen anzurühren, wird er zwangsläufig eines sehr grausamen Todes sterben.
Der alte Kerl übrigens betrachtet Andrew derweil forschend und erahnt scheinbar seinen nahenden Tod. Denn als sich die Tür hinter Josie geschlossen hat, atmen beide Männer hörbar auf.
Das ist gerade noch einmal gut gegangen ...
»Ich habe einige Dinge zu erledigen!«
Diesmal macht sich der Vorstandsvorsitzende nicht erst die Mühe, die Drohung aus der Stimme zu entfernen. Finch zuckt mit keiner Wimper. In jeder anderen Situation hätte Andrew ihn dafür beglückwünscht. Sein Sicherheitschef gehört nicht zu den Männern, die sich einschüchtern lassen. Unbeeindruckt mustert er ihn, wartet eindeutig auf Fakten. Langsam senkt sich Andrews Wutpegel.
»Ich hege die Absicht, einige unliebsame Bewohner aus einer meiner Immobilien zu entfernen. Was haben Sie vorzuschlagen?«
»Wie schnell möchten Sie, dass dies eintrifft?«
Nun, im Grunde interessiert Andrew derzeit nur das Verschwinden einer Person. Der Rest der Mieterschaft ist ihm im Moment relativ egal, die dürften selbst das Weite suchen, wenn er erst einmal mit der Modernisierung begonnen und die monatlichen Kosten drastisch erhöht hat. »Heute Abend soll ein bestimmtes Appartement
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