Feueraugen II. Drei Städte
Dottore!" schlägt der Signore vor.
"Ja, ziehen Sie dran. Vielleicht lösen sich weitere Steine und wir hören mehr von der herrlichen Musik. Ich liebe Bach!" meint Marlène. Baldwin wirft ihr einen verzweifelten Blick zu.
"Nehmt ihr unsere Lage denn kein bisschen ernst? Glaubt ihr vielleicht, dass plötzlich die Türe aufgeht, der König hereintritt und uns erklärt, dass alles nur ein Scherz gewesen ist und er uns als Entschädigung zu einem prunkvollen Festmahl einlädt?"
"Ausgezeichnete Idee, Chef!" findet Zeramov und notiert den Einfall sofort in sein Notizbuch. "Dass ich da nicht schon selbst draufgekommen bin!?"
"Ich werde wahnsinnig mit euch, hört ihr? Wahnsinnig ... wahnsinnig ...!"
"Mr. Baldwin, beruhigen Sie sich doch! Man kann den Organisten ja kaum mehr hören!" ärgert sich Marlène. Der Regisseur lässt sich darauf hin resignierend auf einem der beiden Holzfässer nieder, die hier ihre einzige Sitzgelegenheit darstellen.
Das Loch in der Wand ist inzwischen so groß geworden, dass Dr. Glücklich zur Hälfte hinein kriechen kann.
"Ziehen Sie doch endlich an dem Haken, Doktor!" drängt der Krämer.
"Jo, aber wann dann was passieren tut? - Tretet a bisserl zurick!"
"Moment!" Baldwin ist wieder aufgesprungen. Jetzt steht er vor dem Loch in der Wand und beugt sich zum Doktor hinab.
"Wenn Sie den Haken ziehen und Ihnen dann was passiert?"
Alle nicken ihrem Chef zu. Seine Umsicht ist immer wieder bewundernswert.
"No, wissen sie, Herr Baldwin, so oder so missen mir da heraus. Gott der Gerechte wird mir schon beisteh'n, wann er's für richtig hält. Und wann mir wos passieren tut, dann mecht ich unter an Eukalyptusbaum begraben wer'n. Ich hob schon als kleiner Junge fier mein Leben gern Eukalyptusbonbons gelutscht!" erklärt Dr. Glücklich ganz ruhig.
Im nächsten Augenblick zieht er an dem Haken.
"Deckung!" brüllt Ricci und wirft sich flach auf den Boden.
Einige sind seinem Beispiel gefolgt ... aber nichts geschieht. Nur ein entferntes Klingeln ist zu vernehmen.
"Eigenartig!" findet der Krämer, der sich als Erster wieder aufrappelt. "Zumindest ein weiterer Stein hätte rausfallen können."
"Ja ... sehr schade. Die ganze Kratzerei umsonst!" Dalia hilft dem Doktor aus dem Loch.
Eine Weile stehen sie unschlüssig da. Erst als draußen vor der Kerkertüre Schritte vernehmbar werden, wissen sie, dass der Haken doch eine Bedeutung gehabt hat. Zeramov sucht seinen Notizblock hervor und blättert darin.
"Ach so!" Auf einem der letzten Blätter liest er: 'Klingelmechanismus als Alarm – Haken in der Wand!'
Schon wird die Türe aufgeschlossen und dann steht der purpurne Minister vor ihnen. Eine schwer bewaffnete Wache steht hinter ihm, eine andere leuchtet mit einer Laterne ins Verlies.
"Sehr gut, Fremde, sehr gut!" schreit er und ist ganz außer sich. "Eben habe ich noch versucht, unseren König davon zu überzeugen, dass vielleicht etwas Wahres an eurer Geschichte ist und man euch nicht voreilig verurteilen sollte, da denkt ihr schon an Flucht. Sehr gut!"
"Ja, aber ... wir ..." Baldwin findet keine Worte, die ihren Fluchtversuch entschuldigen könnten.
"Ihr habt sofort den Hohlraum in der Wand entdeckt und ohne Zögern den Haken gezogen. Selbst Gefangene aus Destrusion haben bisher noch nie so schnell die Flucht versucht. Ihr müsst wahrhaft mehr zu verbergen haben. Was immer ihr vorhabt, wer immer ihr seid ... morgen wird über euch gerichtet."
"Ich verstehe nicht. Was hat denn der Haken ..."
"Fremder, in diesen Kerker sperren wir Verdächtige, keine Verbrecher. Der Haken ist ein Alarmauslöser. Und ihr habt es uns sehr leicht gemacht, unsere Zweifel zu beseitigen."
"Wir wollten doch nur die Musik klarer hören ... diese wunderbare Orgel mit ..."
"Fordert meine Geduld nicht heraus, Fremde. Sonst lasse ich euch ins tiefste Verlies von Cultivasion bringen. Meister Contrapunt spielt in der Bergkapelle – deshalb konntet ihr ihn entfernt hören. Erzählt mir nicht, dass ihr deswegen eine Mauer durchgebrochen habt."
Der Minister dreht sich abrupt um, die Türe wird wieder geschlossen und die Baldwinschen sind mit einem Loch in der Wand und einem Steinhaufen davor wieder alleine im Kerkerraum.
Die Pelzmäntel werden auf den Boden gebreitet. Es ist nicht gerade warm in ihrem Gefängnis, doch besser ein wenig frösteln als auf dem feuchten Steinboden zu sitzen.
"Hört ... jetzt spielt er die Chaconne f-Moll von Pachelbel!" flüstert Marlène und lauscht andächtig.
"Ja, beziehungsweise die
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