Feueraugen II. Drei Städte
nicht sehr lange, da hört Rodolphe eilige Schritte. Kurz darauf sieht er den Soldaten und einen schon sehr alten, bärtigen Mann. Ahnungslos gehen sie an ihm vorüber.
Zu Rodolphes Verwunderung muss die 'Unfallstelle' so nah sein, dass er die Gespräche, die kurz darauf dort geführt werden, mit anhören kann.
"Was hat die Frau denn, Herr Minister? Einfach umgefallen, erklärte mir der brave Concord!" das ist die Stimme des Arztes, sagt sich Rodolphe.
"Ja ... ganz plötzlich! Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Jetzt ist sie wieder bei Bewusstsein, aber sie zittert wie Espenlaub!" antwortet der Minister.
"So ... na, werden wir mal sehen!" für eine Weile wird es still.
Dann erklärt der Arzt: "Pulsschlag scheint wieder normal zu sein. Hmm ... das könnte ein Anfall gewesen sein, der mit dem Abstieg in diesem engen Gang zusammenhing."
"Et alors? – Was ist mit ihr?" diese melodiös singende Stimme kennt Rodolphe nur zu gut: Das ist Michel Michelin.
"Möglicherweise hat sie einen Anfall von Platzangst erlitten. Das bringt den ganzen Körper durcheinander, Fremder! Aber es geht ihr schon wieder besser. Vielleicht war's auch der Gedanke, in einem Verlies irgendwo tief im Berg eingesperrt zu werden ... das soll es geben!" erwidert der Arzt.
"Aber was kann man denn da machen?" beginnt der Minister zu jammern.
"Wo liegt denn das Verlies der Fremden? Ist es ein großer Raum?"
"Natürlich, Doktor ... die Fremden sind ja jetzt zu zwölft. Es ist gleich der erste Raum im Hauptgang. Gar nicht so feucht und er liegt auch nicht allzu tief im Berg. Sie haben sogar etwas Tageslicht!"
Rodolphe spitzt die Ohren. Diese Meldung nimmt er besonders zufrieden auf.
Es dauert noch etwas, dann scheint Emma wieder auf den Beinen zu sein. Rodolphe hört, wie der Arzt ihr zu einem 'Pulver' einige Ratschläge gibt.
"Wenn Du dich nochmal nicht gut fühlen solltest, dann nur ein klein wenig hiervon unter die Nase. Es hilft ... wie man sieht!"
"Ja ... danke! Es geht mir schon viel besser!" Emmas Stimme klingt noch sehr schwach.
Rodolphe wird es unterdessen sehr eng in seinem Versteck. Dennoch wagt er sich nicht hervor. Gespannt verfolgt er, wie sich die Stimmen entfernen. Erst als es völlig ruhig ist, vertritt er sich ein wenig die Füße und wartet dann gelassen an die Mauer gelehnt auf die Rückkehr des Ministers. Dieser wird ja vom König erwartet, also will Rodolphe erst dann zuschlagen, wenn keine Gefahr mehr besteht. Es dauert auch nicht lange und Rodolphe versteckt sich wieder. Der Minister, der Arzt und zwei Soldaten gehen an ihm vorüber. Rodolphe schnappt ein paar Gesprächsfetzen auf, bevor sie verschwunden sind.
"Jedenfalls hat sie sich beruhigt. Unser Glück! Diese Ängste können ja permanent sein. Das ist bei ihr nicht der Fall!" sagt der Arzt.
"Hm, ja ... heh ...!" Beinahe wäre der Minister auf einer nassen Stelle ausgerutscht.
"Das sollte auch einmal gerichtet werden. Alles bricht auf ... der Fels rächt sich dafür, dass man ihn einst so tiefe Wunden zugefügt hat." erklärt einer der Soldaten.
"Ich hab' gehört, dass der Kerker einer Renovierung bedarf, Minister, aber ..." die Stimmen entfernen sich jetzt und Rodolphe kann nur noch verstehen, wie der Minister erklärt:
"Zum Glück haben wir kaum noch Gefangene. Was soll man tun? Solange nichts zusammenbricht ... wenn Destrusion nicht wäre ... wir bräuchten ja gar keinen Kerker ...!"
Rodolphe wird zuversichtlich, als er das hört.
'Ein Kerker mit wenigen Gefangenen ... das bedeutet auch: wenige Wachen! Und wenn ich mit ein paar Soldaten nicht zurechtkommen sollte, dann können wir's gleich aufgeben! So ... Chef ... ich bin im Anmarsch!'
Die ersten Hindernisse hat Rodolphe bravourös hinter sich gebracht und dabei nicht sehr viel Zeit verloren. Allerdings ahnt er, dass der Zugang zum Verlies der Baldwinschen noch nicht frei ist. Der Kerkergang verbindet jene kleine Halle im Palast mit einer natürlichen Grotte im Berg. In dieser haben die Wachsoldaten sozusagen ihre 'Wachstube' und außerdem ist dort eine kleine Küche untergebracht.
Rodolphe hat sich bis auf eine letzte Biegung an die Türe herangeschlichen, hinter der endlich der eigentliche Kerker liegen muss. Ein schon älterer Mann steht hier als Wachtposten. Um sich die Zeit zu vertreiben, wirft er mit kleinen Messern nach einer Holzscheibe an der Wand. Rodolphe sieht den Posten noch nicht, aber er lässt sich von dessen Wurfkunst beeindrucken. Fast jedes der Messer landet in einem der drei
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