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Feuerflügel: Roman (German Edition)

Feuerflügel: Roman (German Edition)

Titel: Feuerflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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im Rachen vibrierten, aber er war stumm.
    Sie waren zusammen herabgestürzt, waren gleichzeitig auf dem Tümpel aufgeschlagen, daher musste sie in der Nähe sein. Mit den Flügeln langte er nach ihr, hoffte verzweifelt, ihren Körper zu berühren.
    „Luna!“, rief er stumm. „Luna!“
    Er musste hinaus, er konnte nicht viel mehr von diesem blinden Nichts ertragen. Wohin auch dieser tödliche Fluss floss, es würde kein angenehmer Ort sein. Oder vielleicht war der Strom auch endlos. Vielleicht war dies alles, was es gab, für immer und ewig. Er dachte an all die versteinerten Fledermäuse mit ihren leeren Köpfen. Dahintreibende Tote.
    Er schlug um sich und berührte etwas mit der Flügelspitze. Er warf sich näher heran. Luna, es musste Luna sein. Er rückte ganz heran und fühlte, wie kalter, harter Stein gegen sein Fell schabte. Mit einem Gefühl des Ekels erkannte er, dass es eine überkrustete Fledermaus war. Es war fast noch schlimmer, sie nicht zu sehen. Rasch stieß er sich mit den Beinen ab, sein ganzer Körper zitterte vor Widerwillen.
    Wie sollte er Luna auf diese Weise je finden?
    Für einen gespenstischen Augenblick war er nicht sicher, ob er sich überhaupt bewegte, sondern einfach in einem schrecklichen schwarzen Abgrund trieb.
    War er überhaupt hier?
    Kannst du deinen Herzschlag spüren? Dich selber denken hören? Dann bist du noch hier!
    Mit dem linken Flügel stieß er an etwas Kaltes, diesmal aber Weiches. Unbeholfen steuerte er näher. Einen schrecklichen Augenblick lang fragte er sich, ob es vielleicht die Kannibalenfledermaus sei und er sich nur näherte, um lebendig gefressen zu werden, still, unsichtbar. Vorsichtig tastete er mit der Flügelspitze: eine fellbedeckte Flanke, die Kante eines angelegten Flügels. Fühlte sich nicht zu groß an.
    „Luna?“, rief er in der Hoffnung, sein Verlangen würde sich durch die Berührung mitteilen.
    Keine Antwort.
    Er war jetzt direkt neben ihr – jedenfalls hoffte er, es wäre sie. Er stieß seine hinteren Krallen in ihr Fell und mit den Zähnen packte er sie im Genick, schlug heftig mit den Flügeln und strebte nach oben. War dies wirklich oben?
    Hilf mir, Luna, dachte er. Bitte, hilf. Er hatte keine Ahnung, ob sie auch flatterte, aber irgendwie fühlte er, dass sie stiegen. Er zog, schmetterte immer wieder mit den Flügeln nach unten, bis sein Herz zu schnell für seinen Atem raste und er das Gefühl hatte, es würde ihm die Brust sprengen.
    Hoch.
    Und dann hinaus, das plötzliche Geräusch seines Atems so laut, dass er sich entsetzt umschaute. Die Finsternis tropfte von ihm ab wie Wasser und er befand sich wieder in der freien Luft. Unter ihm war Luna, ihre eigenen Flügel schlugen im Gleichklang mit seinen. Er ließ sie los, und zusammen erhoben sie sich über den geheimnisvollen Fluss und die hohen Wände der Schlucht, die ihn einschloss. Im Sternenlicht war die Oberfläche des Gewässers fast durchsichtig, und er konnte die mageren Gestalten zahlloser versteinerter Fledermäuse erkennen, die in der Strömung vorbeitrieben. Schaudernd wandte er sich ab.
    „Warum hast du mich rausgezogen?“
    Erschrocken über die Verärgerung in Lunas Stimme, wusste er für einen Augenblick nicht, was er sagen sollte.
    „Nun, ich ... wollte dich retten.“
    „Retten“, murmelte sie verbittert.
    Greif war ganz durcheinander. „Du wolltest in diesem gespenstischen Fluss aus ... aus Nichts bleiben?“
    „Er war kein Nichts! Er hatte alles, was ich haben wollte! Er hatte mein Zuhause und meine Familie und ... einfach alles. Und es gab keinen Schmerz und jetzt ist er wieder da!“
    Sie fing an zu weinen, hoffnungslos, und er flog zu ihr hin. Aber als er sanft ihre Flügelspitze berührte, wich sie aus und flog hinter ihm her.
    Er ließ sie in Ruhe. Er war verwirrt und fühlte sich nutzlos. Er verabscheute es, sie traurig zu machen, und er verabscheute das größere Leid, das er ihr nach dem Unfall zugefügt hatte, sodass ihre normalerweise so strahlende Persönlichkeit ganz von ihrer Traurigkeit und dem brennenden Schmerz in ihren Flügeln zusammengekniffen war. Das hatte er ihr angetan. Daher würde er sie jetzt von hier wegbringen – das war es, was er tun konnte. Er würde alles wieder gutmachen.
    Nach einer Weile bog er zurück und flog neben ihr. Sie hatte aufgehört zu weinen.
    „Es tut mir Leid“, sagte er. „Ich weiß, dass du da bleiben wolltest, aber es waren nur Trugbilder und Lügen. Du warst nicht wirklich zu Hause.“
    Luna sagte nichts,

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