Feuerfrau
nicht allzu sehr betroffen war. Unter staubigen Platanen standen in großen Mengen wacklige Stühle und kleine Eisentische; fast nur Männer saßen dort, tranken Cafe, dazu Wasser oder Retsina und ließen ihre »Komboloi« zwischen den Fingern kreisen.
Manche waren hager und abgearbeitet, in abgetragenen Anzügen, aber ihre Gesichter drückten Ruhe und Abgeklärtheit aus. Die jüngeren Männer, kraftvoll und braungebrannt, mit offenen Hemden und goldenen Kettchen auf der Brust, lasen Zeitung, redeten, lachten, gestikulierten. Sie starrten mich an, unverhohlen, wenn nicht unverschämt. Ich erwiderte gleichgültig ihre Blicke. Sie störten mich nicht, solange sie nicht versuchten, mich in ihre Gesetze einzubeziehen, die ich ohnehin nicht beachten würde.
»Wo findet das Fest denn statt?«
Martins Stimme klang atemlos. Er schleppte Fototasche und Stativ, schwitzend in der prallen Sonne. Ich blieb neben ihm stehen.
»Eigentlich ist es eine Zeremonie. Sie wird nur von den Anastenariden gefeiert, einer Art religiöser Bruderschaft. Elenis Onkel Stavros leitet die Feier. Die Anastenariden treffen sich bei ihm, im Haus.«
»Und was bedeutet dieser Name?«
Trotz der Hitze überlief mich ein Prickeln.
»Eleni sagte, daß es ›die Seufzenden‹ heißt.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Stavros wird es dir sagen.«
»Und Eleni stammt also aus diesem Dorf? Kaum zu glauben!«
»Ihre Mutter wurde hier geboren.«
Das Viertel der Anastenariden befand sich etwas zehn Minuten vom Hauptplatz entfernt, in der Nähe eines anderen Platzes, wo bereits Holzstöße für den Scheiterhaufen aufgerichtet waren. Daneben standen Jahrmarktsbuden. Ein Karussel, mit flirrenden Spiegeln und grell bemalten Figuren aus Pappmache, drehte sich zum Klang von Zirkusmusik. An einem hohen Eisengestell schwangen Schaukeln, in denen Halbwüchsige lachten und kreischten. Der Anblick und die Musik riefen Erinnerungen in mir wach; ein flüchtiges Lächeln glitt über mein Gesicht.
Ich fragte ein kleines Mädchen nach dem Haus des »Archi-Anastenaris«. Das Kind führte uns in eine Nebenstraße. Dort stand ein klotziges, mit Kalk geweißtes Haus. Hinter einem Zaun war ein Vorgarten mit Sträuchern und Blumentöpfen. Ich stieß das Tor auf; unsere Schritte knirschten auf dem Kies. Die Haustür war nur angelehnt. Ich ging die zwei Stufen hinauf.
Drinnen klapperten Töpfe. Als ich klopfte, ging die Tür von selbst auf.
Ich konnte einen Raum erkennen, in dem etliche Möbel standen. Im kühlen Helldunkel flimmerte ein Fernseher.
»Kommt nur herein!«
Die Stimme klang fröhlich. Eine Frau kam auf uns zu; ich bemerkte, wie sie sich eilig die Schürze abnahm. Aus der offenen Tür fiel Licht auf sie.
Die Frau war klein und stämmig, breit in den Hüften und mit großen Brüsten, so daß ihre Taille sehr schmal wirkte. Ihr ovales Gesicht war nicht blaß verhärmt, wie es bei älteren Griechinnen oft vorkommt, sondern olivfarben und glatt, mit langbewimperten Augen. Ihr schwarzes Haar begann sich oben auf dem Kopf grau zu färben, nur oben, so daß es aussah wie eine graue Kappe. Sie trug ein unmodernes Kleid, dunkelblau, mit einem rosa Blumenmuster, und dazu eine goldene Brosche am Ausschnitt; an ihren Ohrläppchen baumelten Ringe, ebenfalls aus Gold, mit winzigen Brillanten. Man merkte, es war Feiertag, und sie hatte sich fein gemacht.
»Guten Tag«, sagte ich auf Griechisch. »Ich bin Ariana.«
»Endlich! Schön, daß du da bist! Wir hatten dich schon gestern erwartet.
Bist du nicht zu müde? Hast du eine gute Reise gehabt?«
Sie ergriff meine Hände, strahlend vor Vergnügen, während sie mich an sich zog und küßte. Sie hatte nasse Hände, offenbar war sie gerade beim Abwaschen gewesen. Mir fiel ihre klangvolle, gedehnte Sprechweise auf, sie sang beinahe die Sätze.
»Wie geht es Eleni?«
»Danke, sehr gut. Sie hat mir Grüße mitgegeben.«
»Ach, das freut mich, daß sie glücklich ist, sie ist so ein reizendes Mädchen! Ein hübsches Gesicht, eine graziöse Figur! Und die wunderbare Musik, die sie macht! Und Jorge? Hat er seine Stelle am Konservatorium bekommen? Ich glaube, er machte sich Sorgen deswegen. Er hat sie? Gott sei Dank! Ich bin so glücklich für ihn.«
Ich lachte. Eleni hatte mich gewarnt: Tante Anghelina redet wie ein Wasserfall. Ich wartete, bis ihr der Atem ausging und sie Luft holen mußte, um ihr Martin vorzustellen. Ich sagte daß er ein Bildreporter aus den Vereinigten Staaten war, der extra für die Zeremonie hier
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