Feuerfrau
reisen, verschiedene Einflüsse auf mich einwirken zu lassen. Und das, was ich inzwischen auf diesem Gebiet gesehen habe – auf dem Gebiet der Töpferei, meine ich –, zeugt von einer gemeinsamen Sprache: der Sprache der Erde, die sich formen und verwandeln läßt, die stark und elastisch ist, die lebt und atmet. Wenn ich ein Gefäß drehe oder eine Plastik knete, spüre ich das. Ich forme die Erde, und der Himmel kommt näher, ein Zusammenwirken von Kraft und Geist, ein besonderer Rhythmus, eine Harmonie. Meine Hände sind beseelte Werkzeuge: Ich bin erschaffen worden und erschaffe die Welt. Es ist eine berauschende Macht, und gleichsam nur der Beginn des Wissens. Jeder Künstler kennt dieses Hochgefühl, diese Demut. Dafür lebt er.«
Manuel verstummte so plötzlich, daß ich fast eine Leere empfand. Der Wind wehte von der anderen Seite, die Musik klang gedämpft zu uns herüber. Das Meer glitzerte schwarz und ruhig; ein dünner Schaumstreifen schlug an die Klippen.
Schließlich brach Manuel das Schweigen.
»Woran denkst du?«
Ich hielt den Blick auf seine Hände gerichtet, die mit den Handflächen nach oben ganz ruhig auf dem Tisch lagen.
»An Stavros. Er hat gesagt, du hättest die Hände eines Bauern. Er hat sich nicht geirrt. Du bist ein Mann, der mit der Erde arbeitet.«
»Stavros sieht diese Dinge. Er hat eine Begabung dafür.«
Ich beugte mich vor und griff nach seiner Hand. Er verstrickte seine Finger in meine. Die Berührung mit seiner starken, warmen Hand verbreitete sich in mir mit dem Pulsieren des Blutes, durchfuhr meine Nerven und brandete bis ins Herz.
Er lächelte mir zu.
»Du sagst nichts?«
Ich lächelte zurück, geistesabwesend.
»Im Grunde ist es komisch: Wir leben in Paris und lernten uns in Thessaloniki kennen!«
Er hob ein wenig die Schultern.
»Das geschieht nicht alle Tage, wie?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ein Zufall war es nicht, nein.«
Sein Lächeln erlosch.
»Habe ich dich in Schwierigkeiten gebracht?«
Ich betrachtete sein Gesicht, im Schein der schaukelnden Glühbirnen.
Es wurde plötzlich kühl. Eine feuchte Luftschicht legte sich auf unsere Haut. Ich sagte:
»Wenn man so will.«
»Was nun?« fragte er.
Die schmalen kräftigen Finger umschlossen meine Finger, hielten sie fest und warm. Ich seufzte.
»Ich werde darüber nachdenken müssen.«
23. KAPITEL
D er Himmel war schwarz und sehr klar. Die Sterne funkelten wie weißglühende Kohlen vom Feuerbrett eines Riesen, die der Wind über den Herd des Himmels verstreut hatte. Ihre leuchtenden Myriaden spiegelten sich in der Lagune und schwärmten wie Millionen von Glühwürmchen um die Klippen der Ringinsel. Das Fenster war offen. Draußen herrschte das, was in nördlichen Breitengraden als »Ruhestörung« empfunden wird: Musik aus Bars und Tavernen, Motorenlärm, angeheiterte Disco-Fans in den Straßen. Hunde bellten. Verspätete Gäste stapften in ihre Zimmer.
Türen schlugen zu, sämtliche Duschen prasselten, die WC-Spülungen rauschten. Nach und nach verebbten die Geräusche. In der Ferne hupte ein Schiff, dann Stille. Nur noch das Zirpen der Grillen erfüllte die Dunkelheit und die Laute der Brandung. Wir lagen in den zerwühlten Laken; unsere Atemzüge, unsere geflüsterten Worte webten in der Nacht ein glitzerndes Filigran der Leidenschaft. Ich dachte, wie schön Manuels sehniger, kräftiger Körper war, wie schimmernd seine Augen und wie weich seine Lippen. Ich mochte die Art, wie er sich von mir lenken ließ; er hatte schnell herausgefunden, daß ich beim Liebesakt beherrschen wollte. Ich war bei ihm ebenso sicher wie bei dir, Amadeo. Er war sanfter, geschmeidiger, und seine Zärtlichkeit war sehr groß. Es war die Zärtlichkeit eines Menschen, der seinen Körper und seine Hände beherrschte, mit allen Dingen behutsam umging und sie mit stillem Leben erfüllte. Er machte mich mit seiner Zunge, mit seinen Lippen so feucht und offen, daß ich vor Sehnsucht stöhnte. Und dann stieß er in mich hinein, und ich krallte mich an seinen Schultern fest und flüsterte ihm zu, er möge ewig in mir bleiben. Er lächelte dann, und ich spürte, wie die Feuerflocke in mir erwachte, mich ausfüllte, wie ich hart und fest und immer wilder wurde. Die ganze Zeit sah ich ihn dabei an, verfolgte auf seinen Zügen das Voranschreiten seiner Lust, bis die Leidenschaft ihn spannte, seine Augen sich verschleierten. Dann warf ich ihn herum, stieg auf ihn, damit ich ihn noch tiefer fühlen konnte, hielt ihn fest in mir, rief
Weitere Kostenlose Bücher