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Feuerfrau

Feuerfrau

Titel: Feuerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Papa.«
    »Es ist schon ein paar Jahre her«, sagte er, »daß ich Bozzanos
    ›Übersinnliche Fähigkeiten bei Naturvölkern‹ gelesen habe. Schließlich mußte ich die Frage einer Psi-Begabung in unserer Familie erst mal definieren.«
    Ich lachte zur Zimmerdecke hinauf.
    »Die Anastenariden kannst du nicht als Naturvolk bezeichnen. Sie haben Traktoren und Fernseher. Daß der Computer bei ihnen Einzug hält, ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Ich sehe schon«, sagte er. »Und was meine Tochter betrifft, sie ist, soviel ich weiß, akademisch etabliert.«
    Auch er lachte. Wir waren beide vorsichtig, bestrebt, den anderen nicht zu verletzen. Was gewisse Dinge betrafen, fühlte sich mein Vater hilflos; sobald sein realistisches Denken auf der Strecke blieb, flüchtete er in Ironie. Ich war ihm dankbar für diese Rücksichtnahme, obwohl ich nicht ganz wußte, wie er sich seine Tochter eigentlich vorstellte. Jedenfalls zeigte er keine Skepsis, auch wenn er sie im stillen Herzen empfand.
    Er wechselte das Thema.
    »Und wie geht es Carmilla?«
    »Bestens. Sie entwirft Seidenstoffe und wartet auf das nächste Geld.«
    »Wie sieht sie aus? Hat sie sich sehr verändert?«
    Warum kann es ihm nicht egal sein? dachte ich. Er mußte wirklich in sie vernarrt gewesen sein. Schwer zu glauben, so hysterisch, wie sie war.
    »Nein, eigentlich nicht. Aber sie ist eine anstrengende Frau.«
    Er entrüstete sich nur zum Schein.
    »Bambina, du sprichst von deiner Mutter.«
    »Je älter ich werde«, antwortete ich, »um so mehr habe ich Mühe, es zu glauben.«
    Er erwiderte nichts darauf, sondern erzählte mir, daß er mit Laura für zwei Wochen nach Sankt Moritz fahren würde.
    »Ich komme allmählich in das Alter, wo ich Wanderwege dem Strandgewühl vorziehe. Ich neige zur Einsamkeit; immerhin gebe ich Laura Gelegenheit, abends beim Dinner ihre Roben vorzuführen. Im Oktober gehe ich für zwei Tage nach Montereale Celina. Nach den Ferien beginnt man mit dem Umbau. Ich habe die Pläne gesehen. Das Gewächshaus wird abgebrochen, das Erdgeschoß vergrößert. Was willst du mit den Möbeln machen?«
    Der Schmerz kam ebenso erwartet wie unbegreiflich. Meine Haut fühlte sich plötzlich klamm an. Ich wischte mir übers Gesicht.
    »Mit den Möbeln? Ach, ich weiß nicht, wohin damit. Könntest du sie nicht zu dir nehmen?«
    »Wie war’s«, schlug mein Vater vor, »wenn du sie bei Lina unterbringen würdest? Ihre Tochter ist jetzt verheiratet, und sie hat genug Platz. Das wäre einfacher, als die Möbel nach Milano zu schaffen und vier Etagen hinaufzubefördern. Ich werde Lina eine Kleinigkeit dafür geben. Sie hat ja nur ihre Rente.«
    Mein Herz schlug langsam und schwer. Ich sagte:
    »Vielleicht fahre ich noch einmal hin.«
    »Vor dem Umbau?«
    »Ja. Ich möchte für ein paar Tage weg aus Paris.«
    Er war einen Augenblick still. Ich hielt die Nase gegen meine Schulter und beroch meine Haut. Sie roch ein wenig nach Schweiß und aufdringlich süß nach Tabakrauch. Ich rümpfte die Nase.
    »Du bist traurig«, brach mein Vater das Schweigen. »Warum?«
    »Das ist nur wegen der Hundstage«, sagte ich. »Ich mag diese Jahreszeit nicht. Man schläft schlecht, wenn es so heiß ist.«
    Er wurde unruhig. Es zeigte sich in der Art, wie er sprach, mit einer Andeutung von nervöser Spannung.
    »Cara, es tut mir leid. Ich weiß, was Casa Monte für dich bedeutet. Die Geschichte muß mal ein Ende nehmen.«
    Ich sagte keinen Laut mehr. Auch Nonna hätte in diesem Fall den Mund gehalten. Ich wußte, sie war immer noch in Casa Monte und wartete auf mich. Zwischen mir und dem Haus bestand eine Verbindung. Meine Erinnerungen konzentrierten sich dort, wie ein Brennglas ein glänzendes Abbild der Sonne auf einem Holzstück zaubert, bis ein Rauchfaden hochsteigt und die Flamme aufweht. Casa Monte umbauen, vergrößern?
    Nonna wird das nicht mögen, dachte ich. Ich kannte sie gut. Sie setzte immer ihren Kopf durch. Früher ja, da hatte sie viel ertragen. Aber jetzt nicht mehr.
    Mein Gesicht wurde heiß. Warum hatte ich solches Herzklopfen? Ich legte die Hand auf die Rippen.
    »Niente Paura, Nonna! Ich lasse dich nicht in Stich.«
    »Lo so bene, Picdna.«
    Mein Vater konnte nicht wissen, daß ich mit Nonna sprach; er merkte lediglich meine Abwesenheit. Aber auch er hing an den Fäden der Erinnerung; ihre besondere Substanz ließ ihn Besorgnis empfinden. Er sagte, sehr langsam und nachdrücklich:
    »Ich mag den Gedanken nicht, daß du nach Casa Monte gehst. Das macht dir

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