Feuerfrau
bis zur Geige, von der keltischen Harfe bis zur Drehorgel. Rufe und Gelächter mischten sich mit der Musik, und überall knatterten Knallfrösche.
Wenn auch die Menge zum Großteil aus Einheimischen und Touristen bestand, so waren es doch die Romanos, die das Straßenbild beherrschten.
Die Frauen trugen lange Kleider in knalligen Farben, Glitter und Glitzer von Kopf bis Fuß. Andere waren in der andalusischen Tracht erschienen: wirbelnde Röcke mit Falben, bestickte Schultertücher. Ihr Haar war mit Kämmen und Blumen geschmückt, rote Nelken und Jasminblüten. Sie rauchten Zigarren oder Zigaretten. Goldene Ketten, Ohrringe und Armreifen glitzerten auf der sonnengebräunten Haut. Einige junge Frauen zeigten sich in Hosenanzügen, braun und schwarz gestreift, dazu in spitzen Reitstiefeln und mit einem Filzhut mit breitem Kinnband. Ältere Männer bevorzugten Anzüge mit Hosenträgern und breitkrempige Hüte. Bunte Tücher waren um ihren Hals geschlungen, und einige trugen eine Zigarette hinter dem Ohr. Die Jungen, einige gertenschlank und bildschön, gaben sich betont »trendy«, mit einer Vorliebe für hautenge Jeans und schrille Farben. Die jungen Mädchen hatten außer dem unbestreitbaren Chic etwas Anrüchiges an sich – eine irreführende Wirkung, die von jeder hübschen Romnia, die sich modisch kleidet, auszugehen scheint. Denn die meisten dieser Mädchen bleiben sittsam und unberührt bis zu ihrer Verlobung, von den Müttern und der Sippe mit Argusaugen bewacht.
Lola war plötzlich nicht mehr da: Ein paar Frauen, die sie kannten, hatten sie in ihren Kreis gezogen, küßten und umarmten sie. Sie hielten Lola fest, die zu fallen drohte, umringten sie mit Freudenrufen und flatternden Händen, ihre bunten Röcke wie Glocken um sich schwingend.
Die Schminke und das Gelächter, das aufdringliche Glitzern bildeten nur den äußeren Schein. Unter der Oberfläche bewegten sich andere Dinge.
Diese Menschen, kam mir plötzlich der Gedanke, waren schon fast keine Einzelindividuen mehr, sondern Naturwesen. Jede geheime Sorge oder Angst wurde sinnlos vor der Offenheit ihrer kindlichen Gesten, ihrer unbefangenen Gefühle. Man müßte es so weit bringen wie die Romanos, dachte ich: seine Seele empfinden, mit ihr träumen können. Zweimal im Jahr kamen sie von weither in diese Ortschaft am Meer, hielten eine Verbindung aufrecht, die so alt war wie ihr Volk, dessen Alter man nicht kannte. Und ein altes Volk hat mehr Stolz als ein junges. Auch wenn die Romanos diesem Stolz keinen Namen geben konnten, ihr Blut jedenfalls wußte darum. Weder Armut noch Geringschätzung hatten jemals ihre Würde zerstört. Sie fühlten sich nicht hilflos, waren mitunter verschlagen, aber niemals unterwürfig. Sie trugen Hochmut in sich, seit Jahrhunderten.
Hochmut gegen die Kleinbürger, die sie mißachteten, Hochmut gegen die Priester, die sie mit Bannflüchen belegten. Hochmut auch gegen Sozialbehörden. Tausend Demütigungen wurden zerrieben wie Korn zwischen den Mühlsteinen dieses Hochmutes. Doch heute war das Fest der Göttin, ein Spiel des Herzens. Selbst die Geldgierigsten und Durchtriebensten unter ihnen ließen es zu, daß eine naive Feierlichkeit sie gefangennahm. Der Widerschein des uralten Glaubens spiegelte sich auf ihren Gesichtern, wie das Glühen eines verlöschenden Lagerfeuers. Es war eine Identifizierung. Manuel sagte plötzlich:
»Viele irren ziellos umher und suchen nach Wurzeln und Dingen, die ihrem Leben einen Sinn geben könnten. Diese Menschen nicht; sie sind grundlos glücklich. Wissen sie eigentlich, daß sie in zwei Welten leben?
Ich nehme an, sie wissen es nicht.«
Amadeo zuckte die Schultern.
»Sie leben in ihrer eigenen Welt, weil die Welt da draußen sie nicht haben will. Beide Welten sind unvereinbar. Aber es gibt Orte, an denen die Schleier nur dünn sind.«
»Dann gehen sie über die Schwelle«, sagte Manuel. »Und finden das Labyrinth.«
»Manche kriechen auf den Knien hinein«, murmelte Amadeo.
»Was macht das schon aus?«
Auf Amadeos Gesicht zeichnete sich stets eine widersprüchliche Stimmung ab, wenn er mit Manuel sprach, als wäre die seltsam sinnliche, hinreißende und fast schmerzende Verkettung, die beide füreinander empfanden, etwas Tiefes und Beunruhigendes, das nur in seiner Vorstellungswelt existierte und das er sich weigerte wahrzunehmen.
Wir haben dich in eine schöne Klemme gebracht, Amadeo, oder?
Entweder du gehst über die Schwelle, oder du wirst Qualen erdulden. Und was ist mit
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