Feuergipfel
beide.
Nicht ein einziges Mal hatte er sich anders als kühl und sachlich ihr gegenüber verhalten.
Ich muß die Zärtlichkeit und den Hunger in Hunters Augen wohl nur geträumt haben an dem Tag, als Gaylord Culpepper mich bedrängte und Hunter mich beinahe geküßt hätte.
Beinahe.
Herrje, ich hätte nicht gedacht, daß ich mich so schmerzlich nach etwas sehnen könnte, was ich noch nie kennengelernt habe.
Ein Traum, das ist es gewesen.
Nur ein Traum.
Aber Elyssa wußte, sie hatte den Moment, als sie in Hunters Augen geblickt hatte, nicht nur geträumt. Sie hatte Splitter von Grün und Blau in dem Quecksilbergrau seiner Iris gesehen, und seine Augen hatten vor Besorgnis und leidenschaftlichem Verlangen förmlich gebrannt.
Verlangen nach ihr.
Die Erinnerung an jenen köstlichen, atemlosen Augenblick verfolgte und quälte Elyssa ebensosehr wie die ruhelose Hitze ihres eigenen Körpers. Mehr als einmal war sie nachts aus Träumen hochgeschreckt, die sie erröten ließen, wenn sie nur daran dachte. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie so schamlos nackt bei einem Mann gelegen.
Außer in ihren Träumen von Hunter.
Warum will er nicht noch einmal versuchen, mich zu küssen? Er muß doch sicherlich wissen, daß ich ihn nicht abweisen würde. Bis auf die Gemeinheit, ihm ein Bein zu stellen, habe ich so ziemlich alles getan, um seine Aufmerksamkeit zu erringen.
Vielleicht sollte ich das als nächstes versuchen.
Elyssa seufzte und preßte ihre andere Wange an Creams warme Flanke, während sie den nächsten Walzer zum Ausgleich ihrer wirbelnden Gedanken summte. Die violette Seide ihres Kleides schillerte und brannte wie lilarote Flammen bei jeder Bewegung ihres Körpers, jedem Atemzug.
Hunter ist schroff und kurz angebunden bei mir und liebenswürdig neckend bei Penny. Aber wenn ich mich hastig umdrehe, dann ist es nicht Penny, die er beobachtet.
Ich bin diejenige, die er verstohlen anstarrt.
Trotzdem unternimmt er keinen Versuch, mir den Hof zu machen. Ganz im Gegenteil. Er ist jedesmal ein richtiger Ba-stard, wenn ich versuche, ihn in eine kultivierte Unterhaltung zu verwickeln.
Wer weiß, vielleicht hat er noch immer nicht den Verlust seiner Frau überwunden, obwohl ihr Tod schon mehr als zwei Jahre zurückliegt.
Im stillen fragte sich Elyssa, wieviel Zeit ein Mann wohl brauchen würde, bevor er bereit war, wieder zu lieben.
Sie befürchtete, daß es mehr Zeit war, als ihm noch auf der Ladder S verblieb. Der letzte Termin für die Lieferung der Rinder an die Armee rückte unaufhaltsam näher. Wenn sie die vereinbarte Frist einhielt, würde Hunter anschließend gehen.
Elyssa ahnte es mit derselben Gewißheit, mit der sie die Brutalität und Grausamkeit gespürt hatte, die sich hinter Gaylord Culpeppers langsamer, bedächtiger Sprechweise und berechnenden Augen verbarg.
Und wenn es der Ladder S nicht gelang, den Liefertermin für die Armee einzuhalten, würde Elyssa gar nichts mehr haben. Nicht einmal Träume!
Du darfst nicht darüber nachdenken, sagte sie sich. Grübeln wird überhaupt nichts nützen. Nur harte Arbeit.
Und Beten.
»Also, wenn das nicht ein herzerfrischender Anblick ist!« sagte Mickey plötzlich.
Elyssa zuckte erschrocken zusammen und blickte über ihre Schulter. Eine seidige Haarsträhne fiel nach vorn und ringelte sich über ihre Nase. Ungeduldig blies sie die Strähne beiseite und sah den jungen Rancharbeiter an, der grundsätzlich jedesmal auftauchte, wenn sie das Ranchhaus verließ.
Mickey lehnte lässig an der Stalltür. Der Ausdruck seiner Augen hätte Elyssa vielleicht erfreut, wenn Hunter derjenige gewesen wäre, der dort lungerte und sie hungrig anstarrte.
Es war aber nicht Hunter.
Mit kaum verhüllter Ungeduld drehte Elyssa sich wieder um und fuhr fort zu melken.
»Was willst du?« fragte sie. »Hast du wieder mal den Wetzstein verloren? Oder sind es diesmal die Faßdauben, die du angeblich nicht finden kannst?«
»Ich bin fertig mit den Fässern. Hab’s ihm schon gesagt.«
Elyssa brauchte nicht zu fragen, wer mit >er< gemeint war. Mickey mochte Hunter zwar nicht, aber er war sehr vorsichtig in Gegenwart des älteren Mannes.
»Hab’ ihm erklärt, er kann mich zum Lohn eines Revolverschützen einstellen; ansonsten weigere ich mich, weiter für dich zu arbeiten.«
Schweigend wandte Elyssa sich um und schoß einen Milchstrahl in Richtung der Katze. Cupid öffnete das Maul und fing die Flüssigkeit ohne viel Aufhebens und ohne einen Tropfen zu verschütten
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