Feuerkind
nicht lauschen, aber wie sollte sie es vermeiden? Und sie sprachen über sie; das wußte sie genau.
»Ich weiß es nicht«, sagte Irv.
»Hast du mal wieder an die Zeitung gedacht?«
Zeitung, dachte Charlie. Daddy wollte sich an die Zeitungen wenden. Daddy sagte, dann würde alles wieder gut.
»Welche denn?« fragte Irv. »Die Hastings Bugle? Sie könnten es direkt zwischen die Kleinanzeigen und die Kinoreklame rücken.«
»Aber ihr Vater hatte das geplant.«
»Norma«, sagte er. »Ich könnte mit ihr nach New York City fahren. Ich könnte sie zur Times bringen. Aber was geschieht, wenn schon im Foyer vier Kerle die Kanonen ziehen und anfangen zu schießen?«
Charlie war jetzt ganz Ohr. Sie hörte Normas Schritte in der Küche, der Deckel der Teekanne klapperte, und was sie erwiderte, ging im Geräusch von fließendem Wasser unter.
Irv sagte: »Ja, das könnte passieren. Und ich will dir sagen, was noch viel schlimmer wäre, sosehr ich an der Kleinen hänge. Sie könnte ihre Kräfte gegen sie anwenden. Und wenn das außer Kontrolle gerät wie in dem Laden, in dem man sie festgehalten hat … in New York City leben immerhin acht Millionen Menschen, Norma. Ich glaube, ich bin zu alt, um ein solches Risiko einzugehen.«
Charlie hörte Norma zum Tisch zurückgehen, und die alten Dielen knarrten unter ihren Schritten. »Aber Irv, jetzt hör einmal zu«, sagte sie. Norma sprach langsam und überlegt, als hätte sie lange darüber nachgedacht. »Selbst eine kleine Zeitung, selbst eine kleine Wochenzeitung wie die Hastings Bügle ist an diese Fernschreiber der Associated Press angeschlossen. Heutzutage kommen Nachrichten von überall. Vor zwei Jahren bekam eine kleine Zeitung in Südkalifornien für eine Geschichte sogar den Pulitzerpreis, und die hatte eine Auflage von unter fünfzehnhundert!«
Er lachte, und Charlie wußte plötzlich, daß er über dem Tisch ihre Hand genommen hatte. »Du hast dich sehr damit beschäftigt, nicht wahr?«
»Ja, das habe ich, und das ist noch lange kein Grund für dich, mich auszulachen, Irv Manders! Dies ist eine ernste Angelegenheit! Wir sind in einer verzwickten Lage! Wie lange können wir sie bei uns behalten, bevor jemand es merkt? Du hast sie heute nachmittag zu den Ahornbäumen mitgenommen –«
»Norma, ich habe dich nicht ausgelacht, und das Kind muß doch mal an die frische Luft –«
»Glaubst du, ich weiß das nicht? Habe ich etwa nein gesagt? Das ist es ja gerade! Ein Kind, das noch wächst, braucht frische
Luft und Bewegung. Sie muß das haben, damit sie Appetit bekommt, und sie hat –«
»Hat keinen Appetit, ich weiß.«
»Sie ist blaß und hat keinen Appetit, das stimmt. Deshalb habe ich auch nicht nein gesagt. Ich war froh, daß du sie mitgenommen hast. Aber Irv, wenn nun Johnny Gordon oder Ray Parks heute draußen gewesen wären? Wenn sie zu dir gegangen wären, um dich zu fragen, was du da machst, wie sie es manchmal tun?«
»Honey, sie haben es nicht getan.« Man hörte Irvs Stimme an, daß ihm bei dem Gedanken nicht wohl war.
»Diesmal nicht. Das erste Mal auch nicht. Aber Irv, das kann nicht so weitergehen. Wir haben bis jetzt nur Glück gehabt, und das weißt du genau!«
Wieder waren ihre Schritte in der Küche zu hören und dann das Geräusch, als der Tee eingeschenkt wurde.
»Ja«, sagte Irv. »Ja, ich weiß es. Aber … danke, Darling.«
»Bitte«, sagte sie und setzte sich wieder. »Und hier gibt es kein Aber. Du weißt doch, nur einer oder zwei brauchen es zu wissen, und schon wissen es alle. Es wird herauskommen, daß wir ein kleines Mädchen bei uns haben. Das wäre noch nicht so schlimm, aber wenn sie es nun erfahren?«
Charlie bekam in ihrem dunklen Zimmer eine Gänsehaut.
Irv antwortete langsam und bedächtig. »Ich weiß, was du meinst, Norma. Wir müssen irgend etwas unternehmen. Ich denke dauernd darüber nach. Eine kleine Zeitung … das wäre einfach nicht sicher genug. Die Geschichte muß ganz groß rausgebracht werden, wenn wir erreichen wollen, daß das Mädchen den Rest ihres Lebens in Sicherheit verbringt. Um das zu erreichen, müssen eine Menge Leute erfahren, daß es sie gibt und wozu sie imstande ist – stimmt das nicht? Eine Menge Leute.«
Norma saß unruhig da, aber sie schwieg.
Irv sprach weiter. »Wir müssen das Richtige für sie tun, und auch für uns müssen wir das Richtige tun. Es geht schließlich auch um unser Leben. Mich hat man schon einmal angeschossen. Ich müßte es wissen. Ich liebe sie wie mein eigenes
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