Feuerkind
euch beide mitgenommen, weil ich dachte, daß man dem kleinen Mädchen helfen müßte. Nun weiß ich nicht, woran ich bin. Sie sind nicht der Typ eines Gesetzesbrechers. Trotzdem, Sie und Ihre Tochter verwenden falsche Namen und erzählen eine Geschichte, die so dünn ist wie Klosettpapier. Und Sie sehen krank aus, Frank. Sie sehen so krank aus, wie ein Mann nur aussehen kann, wenn er noch auf den Füßen steht. Soweit meine Fragen. Es wäre gut, wenn Sie ein paar davon beantworten könnten.«
»Wir kamen von New York nach Albany und fuhren heute morgen von dort per Anhalter nach Hastings Glen«, sagte Andy. »Es ist schlimm, daß sie schon hier sind, aber ich habe es geahnt. Charlie wohl auch.« Er hatte Charlies Namen erwähnt, und das war ein Fehler. In dieser Lage spielte das allerdings kaum noch eine Rolle.
»Warum werden Sie gesucht, Frank?«
Andy dachte lange nach, dann schaute er in Irvs ehrliche graue. Augen. Er sagte: »Sie kamen doch aus der Stadt. Haben
Sie Fremde gesehen? Stadttypen? Leute mit Anzügen von der Stange, die man vergißt, sobald die Leute, die sie tragen, außer Sicht sind? Die ziemlich neue Wagen fahren, ungefähr ebenso unauffällig wie ihre Anzüge?«
Nun mußte Irv nachdenken. »Zwei solche Kerle waren im A&P. Sie sprachen mit Helga. Sie arbeitet dort im Wareneingang. Es sah so aus, als zeigten sie ihr etwas.«
»Wahrscheinlich unsere Bilder«, sagte Andy. »Es sind Agenten der Regierung. Sie arbeiten mit der Polizei zusammen, Irv. Genauer gesagt: die Polizei arbeitet für sie. Die Polizisten wissen nicht, warum wir gesucht werden.«
»Von welcher Regierungsbehörde reden wir? FBI?«
»Nein. Von der Firma.«
»Was? Ist das die CIA?« Irv sah ihn an, als ob er kein Wort glaubte.
»Sie haben nichts mit der CIA zu tun«, sagte Andy. »Die Firma heißt eigentlich DSI – eine Art wissenschaftlicher Geheimdienst. Vor drei Jahren las ich in einem Artikel, daß irgendein Schlaukopf ihm Anfang der Sechziger den Spitznamen ›die Firma‹ gab, und zwar nach einem Science-FictionRoman mit dem Titel ›Die Waffenhändler von Isher‹. Den hat, glaube ich, ein gewisser van Vogt geschrieben, aber das ist unwichtig. Sie befassen sich mit nationalen wissenschaftlichen Projekten, die jetzt oder in Zukunft für Angelegenheiten der nationalen Sicherheit von Bedeutung sind oder sein werden. Diese Definition stammt aus ihren eigenen Statuten. In der Öffentlichkeit sind sie eher bekannt für die aus ihren Mitteln betriebene und von ihnen überwachte Energieforschung – elektromagnetisches Zeug und Fusionsenergie. In Wirklichkeit gehen ihre Aktivitäten viel weiter. Charlie und ich sind Teil eines Experiments, das schon vor langer Zeit stattfand. Charlie war damals noch nicht einmal geboren. Auch meine Frau nahm an diesem Experiment teil. Sie wurde ermordet. Dafür war die Firma verantwortlich.«
Irv schwieg eine Weile. Er ließ das Spülwasser ablaufen, trocknete sich die Hände und kam an den Tisch, um das Wachstuch abzuwischen. Andy griff nach seiner Dose Bier.
»Ich will nicht direkt sagen, daß ich Ihnen nicht glaube«, sagte Irv endlich. »Zumal sich in diesem Land so viele merkwürdige Dinge ohne Wissen der Öffentlichkeit ereignet haben, die dann erst später herauskamen. Die Kerle vom CIA sollen gewissen Leuten Getränke mit einem Schuß LSD gegeben haben. Ein FBI-Agent wurde beschuldigt, während der Bürgerrechtsdemonstrationen Menschen umgebracht zu haben. Dann die vielen Schmiergeldaffären. Ich behaupte deshalb nicht ohne weiteres, daß ich Ihnen nicht glaube. Sagen wir lieber, Sie haben mich noch nicht überzeugt.«
»Ich glaube nicht einmal, daß sie an mir noch interessiert sind«, sagte Andy. »Früher vielleicht. Aber jetzt haben sie ein anderes Ziel. Sie wollen Charlie.«
»Soll das heißen, daß sie aus Gründen nationaler Sicherheit hinter einem Kind her sind?«
»Charlie ist kein gewöhnliches Kind«, sagte Andy. »Man hat ihrer Mutter und mir eine Droge mit der Geheimbezeichnung Lot Sechs injiziert. Ihre Zusammensetzung kenne ich bis heute nicht. Ich vermute aber, daß es sich um irgendein synthetisches Drüsensekret handelt. Es hat bei mir und dem Mädchen, das ich später heiratete, eine Veränderung der Chromosomen bewirkt. Diese veränderten Chromosomen haben wir an Charlie weitergegeben, und bei ihr haben sie sich auf völlig andere Weise vermischt. Wenn sie sie an ihre Kinder weitergeben könnte, würde man sie wahrscheinlich einen Mutanten nennen. Wenn sie es
Weitere Kostenlose Bücher