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Feuerkind

Feuerkind

Titel: Feuerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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es im Sommer nicht schaffte, spätestens am 15. September ein Schild im Schaufenster des Ladens zu finden: ZU VERKAUFEN ODER ZU VERMIETEN. Er war ein netter Kerl, aber er tat sich schwer. Bradford war nicht mehr die Stadt, die es einmal gewesen war. Andy ging die Straße hinauf – er hatte seine Skier am Ende des Weges, der zu der Anlegestelle von Bradford hinabführte, in den Schnee gesteckt – und näherte sich der kleinen Gemischtwarenhandlung. Die alten Männer beobachteten ihn mit mäßigem Interesse. Man hatte während des Winters allerhand über Andy geredet. Man war sich darüber einig, daß der Mann vor irgend etwas auf der Flucht war – ein Konkurs vielleicht oder eine Ehegeschichte. Vielleicht eine wütende Ehefrau, die er um das Sorgerecht für das Kind betrügen wollte: es war nicht verborgen geblieben, daß Andy Kinderkleidung gekauft hatte. Man war sich auch darüber einig, daß er und das Kind vielleicht in eine der Hütten am anderen Seeufer eingebrochen waren und dort den Winter verbrachten. Niemand deutete diese Möglichkeiten dem Ortspolizisten von Bradford an, einem Neuling, der erst zwölf Jahre hier wohnte und schon glaubte, daß ihm die Stadt gehörte. Der Mann dort kam von jenseits des Sees, aus Tashmore in Vermont. Keiner der Alten, die in Jack Rowleys Laden um den Ofen herumsaßen, hatte viel für Vermont übrig. Die mit ihrer Einkommensteuer und ihren übertriebenen Alkoholgesetzen, und dann dieser verdammte Russe, der in seinem Haus lebte wie der Zar persönlich und Bücher schrieb, die niemand verstand. Sollten doch die Vermonter ihre Probleme selbst lösen, war die einhellige, wenn auch unausgesprochene Meinung. »Er wird nicht mehr sehr oft rüberkommen«, sagte einer von ihnen. Er biß von seinem Milky-Way-Riegel ab und fing an zu kauen.
    »Nicht, wenn er keinen Schwimmgürtel hat«, sagte ein anderer, und alle kicherten.
    »Wir werden ihn nicht mehr lange sehen«, meinte Jake selbstgefällig, als Andy sich dem Laden näherte. Er trug Großvaters alten Mantel und hatte sich ein breites wollenes Band über die Ohren gezogen, und irgendeine Erinnerung – vielleicht eine Familienähnlichkeit, die auf Großvater deutete -ging Jake flüchtig durch den Sinn und war dann wieder weg. »Wenn das Eis taut, sitzt er auf dem Trocknen und muß abhauen. Er und wer sonst noch bei ihm ist.«
    Andy war draußen stehengeblieben und nahm gerade seinen Rucksack von der Schulter, aus dem er dann einige Briefe hervorzog. Die im Laden versammelten Männer betrachteten ihre Fingernägel, schauten auf die Uhr oder betrachteten den alten, bauchigen Ofen. Einer holte ein riesiges Taschentuch aus der Tasche und schneuzte sich gewaltig.
    Andy schaute sich um. »Guten Morgen, meine Herren.«
    »Guten Morgen«, sagte Jake Rowley. »Was darf es sein?«
    »Sie haben doch auch Briefmarken, nicht wahr?«
    »O ja, so weit traut mir die Regierung.«
    »Ich hätte gern sechs zu fünfzehn, bitte.«
    Jake holte die Marken und trennte die gewünschte Anzahl säuberlich von einem Bogen in seiner alten, schwarzen Postmappe. »Haben Sie sonst noch Wünsche?«
    Andy überlegte. Dann lächelte er. Heute war der zehnte März. Ohne Jake zu antworten, ging er an den Ständer neben der Kaffeemühle und suchte eine große Schmuckkarte zum Geburtstag aus. DIR, MEINE TOCHTER, ZU DEINEM EHRENTAG stand darauf. Er brachte sie zum Ladentisch und bezahlte.
    »Vielen Dank«, sagte Jake und ließ die Kasse klingeln.
    »Bitte, bitte«, erwiderte Andy und verließ den Laden. Sie beobachteten ihn, als er sein Wollband anlegte und die Briefe frankierte. Sein Atem dampfte. Sie sahen ihn um das Gebäude herumgehen, wo der Briefkasten stand, aber keiner der hier Anwesenden hätte vor Gericht bezeugen können, ob er die Briefe eingesteckt hatte oder nicht. Als er wieder in Sicht kam, schulterte er gerade seinen Rucksack.
    »Jetzt haut er ab«, sagte einer der Alten.
    »Höflicher Bursche«, sagte Jake, und damit war das Thema beendet. Man unterhielt sich über andere Dinge.
    Charles Payson stand im Eingang seines Ladens, der den ganzen Winter keine dreihundert Dollar Umsatz gebracht hatte, und sah Andy gehen. Payson hätte bezeugen können, daß die Briefe abgeschickt worden waren; er hatte hier gestanden und gesehen, wie Andy das Bündel durch den Schlitz schob.
    Als Andy außer Sicht war, ging Payson wieder in den Laden zurück und trat hinter den Ladentisch, an dem er Bonbons und Bubble Gum verkaufte. Dann verschwand er in seinen dahinter

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