Feuerklingen (First Law - Band 2)
vertraute ihm, dass er es auch wirklich tun würde. Er sah komisch aus und redete auch komisch, aber sie hatte noch nicht erlebt, dass er etwas versprach und es dann nicht hielt, und das machte ihn zu einem der besseren Menschen, die sie bisher kennen gelernt hatte. Aber das wollte sie ihm natürlich auf keinen Fall sagen oder ihm auch nur das Gefühl geben, dass sie so etwas dachte.
Denn dann würde er sie unweigerlich im Stich lassen.
»Du hast dann also niemanden?«, fragte sie.
»Nur Feinde.«
»Warum kämpfst du dann nicht gegen sie?«
»Kämpfen? Das hat mir all das eingebracht, was ich heute habe.« Und er zeigte ihr seine große leere Hand. »Nichts außer einem bösen Ruf und verdammt vielen Männern, die das brennende Bedürfnis verspüren, mich umzubringen. Kämpfen? Ha! Je besser man darin ist, desto schlimmer ist man später dran. Ich habe einige Rechnungen beglichen, und das kann schon ein gutes Gefühl sein, aber es hält nicht lang. Rache hält einen nachts nicht warm, das ist nun einmal so. Wird überschätzt. Reicht allein nicht. Man braucht noch was anderes.«
Ferro schüttelte den Kopf. »Du erwartest zu viel vom Leben, Rosig.«
Er grinste. »Und ich dachte immer, du erwartest zu wenig.«
»Wenn man nichts erwartet, kann man auch nicht enttäuscht werden.«
»Wenn man nichts erwartet, wird man auch nichts bekommen.«
Ferro sah ihn düster an. Das war es ja eben mit dem Reden. Irgendwann führte es immer dahin, wo sie gar nicht sein wollte. Vielleicht, weil sie nicht genug Übung hatte. Sie riss an den Zügeln und trieb ihr Pferd mit den Hacken weiter, weg von Neunfinger und den anderen, zur Seite, wo sie allein war.
Dann eben Stille. Stille war langweilig, aber ehrlich.
Sie warf einen bösen Blick zu Luthar hinüber, der im Karren saß. Er grinste wie ein Idiot zu ihr zurück, so breit, wie es mit dem Verband möglich war, der noch immer sein halbes Gesicht bedeckte. Er schien sich verändert zu haben, und das gefiel ihr nicht. Als sie das letzte Mal seine Verbände gewechselt hatte, hatte er sich bei ihr bedankt, und das war irgendwie komisch. Ferro hielt nichts davon, sich zu bedanken. Normalerweise versteckte sich etwas dahinter. Es nagte an ihr, dass sie etwas getan hatte, das Dank verdiente. Wenn man anderen half, konnte sich eine Freundschaft entwickeln. Und Freundschaften führten zu Enttäuschungen. Bestenfalls.
Schlimmstenfalls führten sie zum Tod.
Luthar sagte jetzt irgendetwas zu Neunfinger und blickte, da er unten im Karren saß, zu dem Nordmann hoch. Neunfinger legte den Kopf in den Nacken und brüllte dämlich vor Lachen, bis sein Pferd scheute und ihn beinahe abwarf. Bayaz schaukelte zufrieden in seinem Sattel, mit fröhlichen Fältchen um die Augen, als er Neunfinger mit den Zügeln hadern sah. Ferro galoppierte missgestimmt auf die Ebene hinaus.
Sie hatte es besser gefunden, als man sich gegenseitig noch nicht gemocht hatte. Das war beruhigend und vertraut. Das verstand sie. Vertrauen und Kameradschaft und gute Laune, diese Dinge lagen für sie so weit zurück, dass sie ihr beinahe fremd waren.
Und wer mochte schon das Fremde?
Ferro hatte viele tote Menschen gesehen. Mehr als die meisten anderen Leute. Eine ganze Menge hatte sie mit ihren eigenen Händen begraben. Tod war ihr Geschäft und ihr Zeitvertreib. Aber selbst sie hatte selten so viele Leichen auf einem Haufen gesehen. Das kränkliche Gras war mit ihnen übersät. Sie glitt aus dem Sattel und ging zwischen den Toten umher. Es war nicht mehr festzustellen, wer gegen wen gekämpft hatte oder welche Seiten es bei diesem Kampf überhaupt gegeben hatte.
Die Toten sehen alle gleich aus.
Vor allem, wenn sie bereits gründlich ausgeplündert worden sind und ihre Rüstungen, ihre Waffen, die Hälfte ihrer Kleidung fehlen. An einer Stelle lagen sie aufgetürmt und ineinander verschlungen da, im langen Schatten einer abgebrochenen Säule. Ein uralt wirkendes Ding, abgesplittert und angeschlagen, verfallender Stein, streckenweise mit Flechten und verdorrtem Gras bewachsen. Ein großer schwarzer Vogel saß mit gefalteten Schwingen auf seiner Spitze und sah Ferro ohne zu blinzeln mit runden Knopfaugen an, als sie näher kam.
Die Leiche eines riesigen Mannes lehnte halb aufgestützt gegen das zerstörte Gestein, seine leblose Hand umklammerte noch einen abgebrochenen Stab, und dunkles Blut und dunkler Schmutz saßen unter den Fingernägeln. Dieser Stab hatte vermutlich einmal eine Flagge getragen, vermutete
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