Feuerklingen (First Law - Band 2)
Nacken. Es wäre ein Wunder, wenn ich auch nur einen Tag überlebe.
Ein großer Optimist hätte ihren Treffpunkt vielleicht eine Spelunke genannt.
Aber der verdient diesen Namen kaum.
Ein nach Pisse riechender Schuppen mit zusammengewürfelten Möbeln, überall durchtränkt von uraltem Schweiß und kürzlich verschütteten Getränken.
Eine Art Jauchegrube, in der die Hälfte der Jauche fehlt.
Die Gäste und die Bedienungen unterschieden sich nicht von einander: betrunkene Einheimische, die faul in der Hitze dösten, während die Fliegen auf ihnen herumkrabbelten. Micomo Cosca, der berühmte Glücksritter, hatte sich inmitten dieses verlotterten Bildes ausgestreckt und schlief tief und fest.
Er hatte seinen aus Treibholz gefertigten Stuhl auf die hinteren Beine gegen die fleckige Wand gelehnt und einen Stiefel gegen den Tisch vor sich gestützt. Ursprünglich war das vermutlich einmal ein äußerst eleganter und gut verarbeiteter Stiefel gewesen, aus schwarzem styrischem Leder und mit goldenen Sporen und Schnallen.
Das war einmal.
Inzwischen war das Oberleder durch langen Gebrauch aus der Form geraten und hatte ein abgestoßenes Grau angenommen. Die Spore war abgebrochen, die Vergoldung auf den Schnallen blätterte ab, und das darunter liegende Eisen war von braunen Rostflecken übersät. Ein runder Fleck rosiger, mit Blasen bedeckter Haut sah Glokta durch ein Loch in der Sohle hinweg an.
Insgesamt ein Stiefel, wie er nicht besser zu seinem Besitzer passen könnte.
Coscas langer Schnurrbart, der zweifellos eigentlich nach Art eines styrischen Dandys gewachst und zu beiden Seiten gezwirbelt hätte sein sollen, hing matt und schlaff um seinen halb offenen Mund. Über Hals und Kinn lag ein dunkler Schatten auf halbem Weg zwischen Bart und Stoppeln, und über seinem Kragen war ein schorfiger, hässlicher Ausschlag zu sehen. Das fettige Haar stand in allen Richtungen vom Kopf ab und ließ eine große, kahle Stelle auf dem Scheitel erkennen, die ein Sonnenbrand zornrot gefärbt hatte. Schweiß bedeckte die schlaffe Haut, und eine träge Fliege kroch über sein aufgedunsenes Gesicht. Eine Flasche lag leer auf dem Tisch. Eine andere, die noch halbvoll war, hielt er auf seinem Schoß.
Vitaris Gesicht zeigte angesichts dieses Bildes trunkener Verkommenheit trotz ihrer Maske deutlich ihre Verachtung. »Es stimmt also, du lebst noch.«
Jedenfalls noch ein bisschen.
Cosca öffnete ein rot gerändertes Auge, zwinkerte, sah dann blinzelnd auf und begann langsam zu lächeln. »Schylo Vitari, ist es denn die Möglichkeit. Die Welt kann mich tatsächlich noch überraschen.« Er bewegte seine Kiefermuskeln, verzog das Gesicht, wandte den Blick dann nach unten und entdeckte die Flasche in seinem Schoß, hob sie zum Mund und nahm einen langen, durstigen Zug. Große Schlucke, als sei nur Wasser in der Flasche.
Ein geübter Trunkenbold, da gibt es keinen Zweifel. Kaum jemand, dem man die Verteidigung einer Stadt anvertrauen wollte, jedenfalls nicht auf den ersten Blick.
»Ich hätte nie erwartet, dich wieder zu sehen. Wieso nimmst du die Maske nicht ab? Sie beraubt mich deiner Schönheit.«
»Spar dir das für deine Huren auf, Cosca. Ich habe keine Lust, mir was von dir einzufangen.«
Der Söldner machte ein prustendes Geräusch, halb Lachen, halb Husten. »Du hast noch immer die Manieren einer Prinzessin«, schnaufte er.
»Dann ist dieses Scheißhaus wohl ein Palast.«
Cosca machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es sieht alles gleich aus, wenn man betrunken genug ist.«
»Und du meinst, du bist je betrunken genug?«
»Nein. Aber es lohnt sich, immer wieder darauf hinzuarbeiten.« Wie um seine letzten Worte zu unterstreichen, nahm er einen weiteren Schluck aus der Flasche.
Vitari lehnte sich gegen die Tischkante. »Was hat dich hierher verschlagen? Ich dachte, du seiest damit beschäftigt, die Schwanzfäule in Styrien zu verbreiten.«
»Meine Beliebtheit hat in meiner Heimat ein wenig nachgelassen.«
»Du warst doch nicht etwa zu oft auf beiden Seiten eines Kampfes zu finden, oder?«
»So ähnlich.«
»Aber die Dagoskaner haben dich mit offenen Armen empfangen?«
»Noch mehr würde es mich freuen, würdest du mich mit geöffneten Beinen empfangen, aber man kann nun mal nicht alles bekommen, was man sich wünscht. Wer ist dein Freund hier?«
Glokta zog sich mit seinem schmerzenden Fuß einen wackligen Stuhl heran und ließ sich vorsichtig darauf sinken, wobei er darauf hoffte, nicht mit der Sitzgelegenheit
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