Feuerklingen (First Law - Band 2)
mehr einfällt? Glauben Sie das vielleicht? Dass ich bei Ihren Brustwarzen aufhören werde?«
Harker starrten ihn an, kleine Speichelblasen bildeten sich und platzten auf seinen Lippen. Glokta beugte sich näher zu ihm heran. »O nein, o nein. Das ist nur der Anfang. Das ist noch vor dem Anfang. Und wir haben mitleidslos viel Zeit vor uns. Tage, Wochen oder sogar Monate, wenn es sein muss. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie Ihre Geheimnisse lange vor mir werden bewahren können? Sie gehören jetzt mir. Mir, und diesem Raum. Das alles wird nicht aufhören, bevor ich weiß, was ich wissen muss.« Er streckte die Hand aus und packte Harkers verbliebene Brustwarze mit Daumen und Zeigefinger. Dann nahm er die Pinzette auf und spreizte ihre blutigen Greifer. »Das kann doch nicht so schwer zu begreifen sein?«
Magisterin Eiders Speisezimmer bot einen überwältigenden Anblick. Tücher in Silber und Karmesinrot, Gold und Purpur, Grün und Blau und Sonnengelb bewegten sich sanft in der zarten Brise, die durch die schmalen Fenster hineinwehte. Filigrane Marmorflächen schmückten die Wände, große, mannshohe Gefäße standen in den Ecken. Berge schmuckvoller Kissen lagen über den ganzen Boden verteilt, als wollten sie jene, die zufällig vorbeikamen, dazu einladen, sich in dekadenter Gemütlichkeit auszustrecken. Farbige Kerzen brannten in hohen Glasgefäßen, warfen warmes Licht bis in alle Ecken und füllten die Luft mit angenehmem Duft. An einer Seite des Marmorsaals tröpfelte Wasser sanft in ein sternförmiges Bassin. Die ganze Szenerie vermittelte mehr als nur einen Hauch Theatralik.
Wie das Boudoir einer Königin aus einer kantesischen Legende.
Magisterin Eider, die Oberste der Gewürzhändlergilde, bildete selbst die Krönung dieser Szenerie.
Die wahre Königin der Kaufleute.
Sie saß an der Stirnseite des Tisches in einem makellosen weißen Gewand aus schimmernder Seide, die nur ganz eben, aber umso faszinierender eine gewisse Durchsichtigkeit andeutete. Ein kleines Vermögen in Edelsteinen leuchtete an jedem Zoll ihrer gebräunten Haut, ihr Haar war aufgesteckt und wurde von Elfenbeinkämmen gehalten, wobei gekonnt einige Strähnen ausgelassen worden waren, die sich nun kunstvoll um ihr Gesicht lockten. All das vermittelte den Eindruck, als habe sie den ganzen Tag damit verbracht, sich auf den Abend vorzubereiten.
Und kein Augenblick davon war verschwendet.
Glokta, der am entgegengesetzten Ende der Tafel zusammengesunken auf einem Stuhl saß und eine Schüssel Suppe vor sich hatte, hatte das Gefühl, in den Seiten eines Romans zu blättern.
Eine schwüle Romanze, die im exotischen Süden spielt, mit Magisterin Eider als Heldin und mir selbst als dem ekelhaften, verkrüppelten Schurken mit dem schwarzen Herzen. Wie wird diese Fabel wohl ausgehen?
»Sagen Sie mir, Frau Magisterin, welchem Umstand verdanke ich diese Ehre?«
»Ich habe erfahren, dass Sie sich mit den anderen Mitgliedern des Regierungsrats unterhalten haben. Es hat mich überrascht und auch ein wenig verletzt, dass Sie noch nicht um eine Audienz bei mir nachgesucht haben.«
»Es tut mir leid, wenn Sie sich deswegen ausgeschlossen fühlten. Es erschien mir nur passend, dass ich mir die Mächtigste für den Schluss aufhob.«
Sie sah ihn mit einem Ausdruck verletzter Unschuld an.
Der wirklich hervorragend gespielt ist.
»Mächtig? Ich? Vurms kontrolliert den Haushalt, erlässt die Dekrete, Vissbruck befehligt die Truppen und organisiert die Verteidigung. Kahdia spricht für den Großteil der Bevölkerung. Da spiele ich doch kaum eine Rolle.«
»Kommen Sie.« Glokta grinste auf seine zahnlose Art. »Sie sind zwar eine strahlende Schönheit, aber so geblendet bin ich dann doch nicht. Vurms’ Haushalt ist bloß ein Taschengeld verglichen mit dem Gewinn der Gewürzhändler. Kahdias Volk hat man beinahe hilflos gemacht. Mittels Ihres branntweinseligen Freundes Cosca befehligen Sie mehr als doppelt so viele Truppen wie Vissbruck. Und ohnehin ist der einzige Grund, aus dem sich die Union überhaupt für diesen ausgedörrten Felsen interessiert, der Handel, den Ihre Gilde beherrscht.«
»Nun, ich prahle nicht gern.« Die Magisterin zuckte betont gleichmütig die Achseln. »Aber schön, ich habe wohl schon ein wenig Einfluss in der Stadt. Sie haben sich umgehört, wie ich erfahren habe.«
»Das ist nun einmal meine Aufgabe.« Glokta hob den Löffel zum Mund und gab sich alle Mühe, um mit seinen verbliebenen Zähnen nicht zu schlürfen. »Die Suppe ist
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