Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feuerklingen (First Law - Band 2)

Feuerklingen (First Law - Band 2)

Titel: Feuerklingen (First Law - Band 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
nicht gerade auf Jezals Seite. In der Hoffnung, etwaige Verfolger abzuschütteln, hatte Bayaz sie vor ein paar Tagen wieder vom Fluss weggeführt. Die alte Straße wand sich nun durch tiefe Einschnitte in der Ebene, durch steinige Rinnen, schattenumlagerte Schluchten und an plätschernden Bächen in tiefen Tälern entlang. Inzwischen sehnte Jezal sich beinahe wieder nach der endlosen, ermüdenden Weite. Dort hatte man zumindest nicht jeden Stein oder Busch oder Abhang angesehen und sich gefragt, ob sich dahinter vielleicht eine Horde blutrünstiger Feinde verbarg. Bei jedem Geräusch biss er sich auf die Zunge und fuhr im Sattel herum, griff nach seinen Eisen und erwartete einen mordlustigen Räuber zu sehen, der sich dann als Vogel in einem Gebüsch entpuppte. Er hatte natürlich keine Angst, denn Jezal dan Luthar, so sagte er sich selbst immer wieder, lachte der Angst geradewegs ins Gesicht. Einem Hinterhalt, einem Kampf oder auch einer atemlosen Verfolgungsjagd über die Ebene – all diesen Dingen wäre er zweifelsohne gewachsen gewesen, glaubte er. Aber diese endlose Warterei, diese geisttötende Anspannung, dieses gnadenlose Verstreichen langsamer Minuten war beinahe mehr, als er ertragen konnte. Es hätte ihm vielleicht geholfen, wenn er seine Besorgnis mit irgendjemandem hätte teilen können, aber die Gesellschaft, in der er sich befand, war schließlich nach wie vor dieselbe. Quai saß grimmig und schweigend auf dem Bock und lenkte den rumpelnden Karren weiter über die unebene alte Straße. Bayaz sprach nicht, von gelegentlichen Vorträgen über die Eigenschaften großer Anführer einmal abgesehen – Eigenschaften, die ihm selbst deutlich allesamt abgingen. Langfuß war ihnen vorausgeeilt, um den Weg zu erkunden, und ließ sich nur einmal am Tag oder auch nur alle zwei Tage einmal sehen, um ihnen zu erzählen, mit welch ungeheurem Geschick er vorging. Ferro bedachte alles um sie herum mit bösen Blicken, als sei die ganze Umgebung ihr persönlicher Feind – Jezal, wie es manchmal schien, ganz besonders. Sie hielt ihre Hände stets nah bei ihren Waffen und redete kaum, allenfalls mit Neunfinger. Dem knurrte sie gelegentlich kurz angebunden entgegen, dass sie Hinterhalte zu befürchten hatten und ihre Spuren besser verwischen mussten, weil ihnen schließlich jemand folgen konnte.
    Der Nordmann selbst war Jezal irgendwie ein Rätsel. Als er ihn das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte, wie er mit offenem Mund am Tor des Agrionts alles um sich herum angeglotzt hatte, hatte er geradezu wie ein Tier gewirkt. Hier draußen in der Wildnis herrschten jedoch andere Regeln. Man konnte jemanden, den man nicht mochte, nicht einfach stehen lassen und ihn dann zu meiden suchen, während man ihn in der Gesellschaft von Freunden lächerlich machte oder ihn hinter seinem Rücken beleidigte. Hier musste man mit den Gefährten, die man nun einmal hatte, auskommen, und seit er das versuchte, war Jezal langsam zu der Einsicht gekommen, dass Neunfinger ein ganz normaler Mensch war. Ein dummer und brutaler und fürchterlich hässlicher zwar, das stand fest. Was Geist und Kultur betraf, stand er noch ein Stück unter dem niedrigsten Bauern der Union. Aber Jezal musste zugeben, dass er von der ganzen Gruppe, mit der er gesegnet war, den Nordmann inzwischen am wenigsten verabscheute. Er war nicht so aufgeblasen wie Bayaz, nicht so eigentümlich wachsam wie Quai, nicht so angeberisch wie Langfuß und auch nicht so gemeingefährlich wie Ferro. Jezal hätte sich nicht geziert, einen Bauern nach seinen Ansichten über die Kornernte zu befragen oder einen Schmied zu bitten, ihm etwas über die Herstellung einer Rüstung zu erzählen, auch wenn diese Menschen dreckig, hässlich und von niederer Geburt waren. Wieso also sollte er nicht einen ausgebufften Totschläger nach seinen Erfahrungen mit Gewalttaten fragen?
    »Wenn ich recht weiß, habt Ihr bereits Männer in die Schlacht geführt«, versuchte es Jezal also.
    Der Nordmann wandte ihm seine dunklen, langsamen Augen zu. »Mehr als einmal.«
    »Und Duelle ausgefochten.«
    »Joh.« Neunfinger kratzte sich an den gezackten Narben auf seiner stoppligen Wange. »Die hier hab ich mir ja nicht beim Rasieren zugefügt, weil ich eine so unruhige Hand habe.«
    »Wenn das der Fall wäre, würdet Ihr Euch wahrscheinlich auch dafür entschieden haben, Euch einen Bart stehen zu lassen.«
    Neunfinger lachte leise. Jezal hatte sich daran inzwischen schon gewöhnt. Es wirkte immer noch abstoßend,

Weitere Kostenlose Bücher