Männer gesehen, die eindeutig Ausländer waren.
Bei den Ermittlungen vor Ort wurde sehr schnell klar, dass die meisten Tipps
nur von Wichtigtuern oder Spinnern stammen konnten. Trotzdem musste allen
Hinweisen nachgegangen werden. In keinem Krankenhaus im Umfeld, selbst in
Schleswig, Flensburg und Kiel, war jemand mit einer fehlenden Hand aufgetaucht.
In ganz Schleswig-Holstein wurden elf Personen als vermisst gemeldet. Der
semmelblonde Pretzer arbeitete alle Fälle durch. Zwei Frauen konnten gleich
ausgeschlossen werden, denn die Hand stammte eindeutig von einem Mann. Zwischen
Swensen und dem Chef der Soko hatte es noch vor Beginn der ersten Besprechung
einen heftigen Wortwechsel gegeben, weil Colditz ebenso wie Püchel die
Blutrache-Theorie favorisierte. Swensen musste sich danach eingestehen, dass es
sich wohl nur um Machtgerangel gehandelt hatte.
»Herr
Kollege Colditz, haben Sie im hohen Norden im Zusammenhang mit Blutrache unter
Türken schon mal etwas von einer abgeschlagenen Hand gehört?«, hatte er das Duell
eröffnet.
»Und
wer würde Ihrer Meinung nach denn sonst eine Hand in einen Türkentreff
werfen?«, hatte Colditz mit gepresster Stimme gekontert und dabei die
Mannschaft der Soko nacheinander herausfordernd angeblickt. Niemand hatte etwas
gesagt. Selbst Haman, Jacobsen und Mielke, die mit ins Team genommen worden
waren, schwiegen betreten.
»Wenn
wir das rausbekommen haben«, gab er trocken zurück, »wären wir der Aufklärung
des Falls mit Sicherheit ein großes Stück näher.«
»Ich
glaube nicht an einen deutschen Täter!«
»Ich
auch nicht! Aber Tatsache bleibt, dass alle Opfer von Blutrache entweder
erschossen oder erstochen werden.«
Nach
der Sitzung hatte Swensen sich gleich hinterm Telefon vergraben, um nicht
wieder zum Klinkenputzen ausschwirren zu müssen. Auf das meist zähe Gelabere an
der Haustür hatte er im Moment nicht den geringsten Nerv. Er rief das
Einwohnermeldeamt an und bat um eine Liste von Namen und Adressen der Türken,
die in Husum gemeldet sind. Die Frauenstimme am Telefon klang jung und forsch.
»Würde
es Ihnen sehr viel ausmachen, wenn Sie mir dabei auch gleich eine Liste der
gemeldeten Albaner erstellen?«
»Für
die Polizei sind wir doch immer Freund und Helfer«, kiekste die Stimme vor
Vergnügen über ihren eigenen Witz. »Außerdem hält sich die Arbeit in Grenzen.
Die Zahl der hier lebenden Albaner kann man meines Wissens an zwei Händen
abzählen. Türken leben hier allerdings schon einige mehr, aber es sind trotzdem
nicht viel mehr als hundert.«
»Für
etwas weniger Arbeit sind wir immer dankbar. Können Sie mir die Listen so
schnell wie möglich an meine E-Mail-Adresse
[email protected] senden?«
Schon
am heutigen Morgen, noch vor der Frühkonferenz, war die Liste des
Einwohnermeldeamts in Swensens Internetpost gewesen. Die einhundertsechs
Husumer Türken setzen sich aus achtundfünfzig Männern und achtundvierzig Frauen
zusammen. Bei den Albanern gibt es fünf Männer und drei Frauen. Er hatte die
Liste dem Soko-Team präsentiert und die Aufnahme der Albaner in den
Verdächtigenkreis damit gerechtfertigt, dass gerade diese Ausländer sehr oft in
Drogendelikte verwickelt sind. Er, Swensen, würde eher auf Bandenstreitigkeit
setzen. Im Laufe der Besprechung war es zu einem kurzen, aber heftigen
Wortgefecht zwischen Stephan Mielke und Silvia Haman gekommen, weil Stephan
vehement davon abgeraten hatte, Silvia bei der Befragung von Muslimen
einzusetzen.
»So
weit ich informiert bin, müsste Frau Hauptkommissarin, damit einer dieser
Muslime überhaupt mit ihr reden würde, mindestens ein Kopftuch tragen.«
»Aha,
wir haben einen Islamexperten in unseren Reihen. Der Herr Oberkommissar hat
offensichtlich den Koran zu seiner neuesten Bettlektüre auserkoren«, hatte
Silvia gekontert.
»Was
gehen dich meine Bettgeschichten an, liebe Kollegin!«
»Was
gehen dich meine Ermittlungen an!«
»Kollegen!
Kollegen! Ich bitte euch!«, hatte Colditz gebrüllt.
»Kollegin,
so viel Zeit sollte sein«, war Silvias erfolgreicher Versuch gewesen, das
letzte Wort zu haben.
Swensens
Mund verzieht sich zu einem Grinsen, als er an das verblüffte Gesicht von
Colditz denken muss.
So
was dem schönen Jean-Claude, hatte er gedacht. Dabei ist er doch der geborene
Frauentyp. Susan ist bereits völlig hin und weg.
Er
hatte die Blondine von der Rezeption im Vorbeigehen zu Püchels Sekretärin
säuseln gehört: »George Clooney, wie fad klingt das gegen Jean-Claude