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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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sie.
    Matthias zeigte auf das Foto. »Ist das im Heim aufgenommen? Ich könnte schwören, dass ich den Hintergrund auf dem Film gesehen habe.«
    »Tatsächlich.« Hinter den drei Leuten waren die Tafel und das Schlüsselbrett aus dem Zimmer der Nachtwachen zu sehen. »Aha, es scheint mir, als wäre es während ihrer Schicht doch hoch hergegangen. Das Mädchen wirkt auf jeden Fall ziemlich angetrunken.«
    Sie betrachteten weitere Fotos. Viele zeigten Friðleifur in seiner Freizeit, aber es gab auch einige aus dem Heim, meistens mit Margeir oder anderen jungen Leuten. Die Gäste waren fast alle aufgestylt und hatten teilweise Bier in der Hand. Die Fotos schienen alle im selben Zimmer gemacht worden zu sein, die Bewohner waren nicht zu sehen.
    »Das ist das Merkwürdigste, was ich seit langem gesehen habe.« Matthias lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
    »Ja, find’ ich auch. Es erklärt jedenfalls, warum Friðleifurs Schwester mich nicht zurückgerufen hat. Der Kameramann hat gesagt, sie hätte nach Alkohol gerochen, also hatte sie offenbar dieselben Absichten wie die anderen. Sie hat nur so getan, als wäre sie mit ihren Freunden zu Besuch, um zu helfen.« Dóra klickte weitere Bilder an. »Und jetzt verstehe ich auch die Nachbarin mit ihrem nächtlichen Verkehrslärm. Es erklärt auch, warum sich die Heimbewohner nicht besonders wohl gefühlt haben, sie konnten bei diesem Theater bestimmt nicht schlafen, auch wenn es nicht jede Nacht war.« Dóra lehnte sich nachdenklich zurück. »Irgendwas hat diese Leute dazu gebracht, den weiten Weg dorthin zu fahren. Das Heim lag ja nicht gerade zentral. Entweder waren Friðleifur und sein Kumpel so beliebt oder sie hatten etwas, das die Leute haben wollten.« Sie wandte sich vom Bildschirm ab. »Jedenfalls kommen wesentlich mehr Personen als Vater von Lísas Kind in Frage, als ich zuerst dachte.«

29 . KAPITEL
    DIENSTAG ,
19 .  JANUAR 2010
    Dóra hatte das Gefühl, dass ihre Gedanken zwischen ihren Hirnhälften hin- und herjagten. Wie sehr sie auch versuchte, sie zu zügeln und logisch zu denken, immer war alles von einer Frage überschattet: Wer hatte ihr die SMS geschickt? Sie studierte die Fotos auf der Facebook-Gedenkseite für Friðleifur und musterte jedes einzelne Gesicht ausgiebig, so als verstecke sich dort die Antwort auf ihre Frage. Die SMS -Mitteilungen waren so eindeutig gewesen, dass der Absender einfach in den Fall verstrickt sein musste. Es war völlig unverständlich, warum dieser mysteriöse Mensch sie nicht einfach anrief oder ihr die Trümpfe, die er im Ärmel hatte, zuschickte. Entweder war er mitschuldig oder ein so komischer Kauz, dass es ihm Spaß machte, ihr Hinweise zuzuschustern.
    Vor Dóra lag ein vollgekritzeltes Blatt mit sämtlichen Verbindungen, die ihre Arbeit bisher ans Licht gebracht hatte, aber sie kam einfach nicht weiter. Natürlich gab es eine logische Erklärung für die Ereignisse, die Dinge passierten nicht von alleine und waren keine Kette von Zufällen. Das Schwierige war nur, wie so oft, das Wichtige vom Überflüssigen zu trennen. Noch waren die Namen, Orte und Äußerungen ein einziges Durcheinander, in dem alles wichtig zu sein schien. Das erinnerte Dóra an die Worte des IT -Manns, der letztens den Internetserver in der Kanzlei repariert hatte: »Es dauert nie lange, das Problem zu beheben, das Schwierige ist, es überhaupt zu finden.« Als er es gefunden hatte, war er schon so gut wie fertig. Und genau so war es. Vielleicht sollte sie ihn anrufen. Es war bestimmt gar nicht so dumm, die Meinung eines Außenstehenden einzuholen, auch wenn der IT -Mann vielleicht nicht der Richtige war. Dóra wählte die Durchwahl ihres Kollegen Bragi, aber er ging nicht ran, und nach mehrmaligem Klingeln nahm Bella den Hörer ab. Dóra fragte, ob sie wüsste, wann Bragi zurück sei, und bekam die Antwort, mit der sie gerechnet hatte: Bella hätte keinen blassen Schimmer, und es sei ihr auch völlig egal. Nachdem sich Dóra von der Mitarbeiterin des Monats verabschiedet hatte, beschloss sie, es noch einmal beim Anwalt Ari zu probieren, aber der ging immer noch nicht ans Telefon.
    Da es keinen Zweck hatte, sich noch länger über dieses Gekritzel den Kopf zu zerbrechen, ging Dóra ins Internet und suchte nach weiteren Nachrichten über den Mann, der tot in der Nauthólsvík-Bucht gefunden worden war. Die neueste Meldung war nicht sehr ausführlich, bestätigte aber, dass es sich um einen Mann in den Zwanzigern handelte, der keines natürlichen

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