Feuernacht
haben.«
»Jetzt mach aber mal ’nen Punkt, diese ganzen Leute, die hier Kommentare geschrieben haben, können doch nicht alle zu so einem abartigen Zweck ins Heim gekommen sein. Solche Perverse sind eher selten, außerdem sind da auch jede Menge Frauen dabei. Eigentlich kann man nur rauslesen, dass Friðleifur verhindert hat, dass seine Freunde zu viel getrunken haben. Alle scheinen ihn zu vermissen, wenn sie betrunken oder verkatert sind.«
»Ich lese da eher raus, dass seine Freunde sich richtig betrinken, um seiner zu gedenken. Oder er war ein solcher Partylöwe, dass er nur mit Leuten zu tun hatte, die über nichts anderes reden.«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Es passt nicht zum Leben eines Partylöwen, am Wochenende in der Nachtschicht zu arbeiten.«
»Es sei denn, er hat doch bei der Arbeit getrunken. Vielleicht haben die Partys ja im Heim stattgefunden. Außerdem hat er nur jedes zweite Wochenende gearbeitet.« Dóra las die letzten Einträge von ungefähr einem Monat nach Friðleifurs Tod.
Lass es dir gutgehen bei Gott, er nimmt dich bestimmt freundlich auf, Party im Himmel! Tschüss, lieber Friðleifur, unser großer Retter, ich vermisse dich total. Mein Freund Friðleifur, gute Reise zum Himmel, see you soon.
»Hast du gesehen, ob jemand von denen was mit dem Fall zu tun hat?«
Dóra schüttelte den Kopf. »Nicht, dass ich wüsste. Ich habe nicht alle Namen im Kopf, aber den kleinen Fotos nach zu urteilen sind diese Leute noch ziemlich jung und haben wohl kaum im Heim gearbeitet. Die meisten Mitarbeiter waren wesentlich älter als die Kommentarschreiber. Friðleifur und Margeir waren die Einzigen um die zwanzig. Das sind anscheinend alles Freunde, es gibt keine Einträge von Verwandten.«
»Ja, definitiv. Glaubst du, dass Gylfi oder Sigga einen von denen kennen? Es wäre vielleicht nicht dumm, wenn sie sich die Einträge und die Fotos mal anschauen würden. Vielleicht haben sie eine Idee, worum es bei diesen seltsamen Grüßen geht.«
»Ja, das wäre einen Versuch wert, aber das scheinen keine Gymnasiasten zu sein. Die sind bestimmt mehr im Nachtleben unterwegs als Gylfi und Sigga, aber man kann nie wissen.« Dóra war jetzt viel geschickter und schaffte es ohne Probleme, die Mitglieder der Gruppe mit ihrem jeweiligen Foto und Herkunftsland alphabetisch aufzulisten. Aber das brachte nicht viel, da keiner sein Profil mit Fremden teilte. Dennoch scrollte sie durch die Liste und stieß auf zwei bekannte Namen: Margeir und Lena. Keiner von beiden hatte einen Kommentar verfasst. Trotzdem war es nicht verwunderlich, dass sie Mitglieder in der Gruppe waren: Margeir war Friðleifurs engster Kollege gewesen, und Lena hatte Matthias erzählt, dass sie den Verstorbenen bei ihren Besuchen im Heim kennengelernt hatte. »Könntest du Lena anrufen und danach fragen?« Dóra schaute zu Matthias. »Vielleicht weiß sie, worum es geht, auch wenn sie ihn angeblich nicht so gut gekannt hat und nicht wusste, was da nachts los war.« Sie studierte das kleine Foto neben Margeirs Namen, kannte das Gesicht aber nicht. Im Gegensatz zu Friðleifur hatte Margeir helle Haare und Sommersprossen. Er machte ein ernstes Gesicht, was irgendwie nicht zu seinem Äußeren passte.
Matthias verzog das Gesicht. »Ich reiße mich wirklich nicht darum, mit ihr zu reden. Kannst du das nicht machen?«
»Von mir aus, aber sie scheint dir zu vertrauen. Warum willst du nicht mit ihr reden, ich dachte, du fandest sie ganz nett.«
»Sie ist schon okay, aber so jung. Ich möchte lieber nicht so viel mit ihr zu tun haben. Ich bin nicht offiziell in den Fall integriert, das könnte missverstanden werden. Was glaubst du, was ihr Vater dazu sagt, wenn ein älterer Mann wie ich seine zwanzigjährige Tochter belästigt?«
»Es ist ja nicht sofort Stalking, wenn du sie mal in einem Café triffst oder mit ihr telefonierst. Aber okay … ich rufe sie an.« Der letzte Satz war nur so dahergesagt, denn Dóras Interesse richtete sich bereits auf ein Fotoalbum auf der Gruppenseite. »Guck mal!« Sie zeigte auf das Bild von drei jungen Leuten. Nachdem Dóra das Bild vergrößert hatte, waren die beiden Nachtwachen Friðleifur und Margeir darauf zu erkennen, und zwischen ihnen stand ein fremdes Mädchen, deren Name nicht dabeistand. Sie legte ihnen die Arme um die Schultern und hängte sich an sie. Die Männer trugen Freizeitkleidung, aber das Mädchen hatte ein kurzes Kleid und hochhackige Schuhe an, so dass sie fast genauso groß war wie
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