Feuernacht
zurück ins Sogn. Ich finde, ich darf nach Hause.«
»Das finde ich auch, Jakob.« Dóra wunderte sich nicht, dass er das Thema zur Sprache brachte. »Ich bin zuversichtlich, dass es dazu kommt, aber wohl noch nicht in den nächsten Tagen. Leider.«
Jakob schaute ihr enttäuscht in die Augen. »Was heißt hoffnungsvoll? Voll mit Hoffnung?« Plötzlich zog sich ein Lächeln über sein Gesicht.
»Ja, genau das heißt es. Ich bin voller Hoffnung, dass du nach Hause kannst … also ich glaube, dass es eines Tages geschieht. Dann wirst du angerufen und jemand sagt: Hej, Jakob! Weißt du was? Du darfst heute nach Hause!« Dóra legte ihre Hand auf seinen rauen Handrücken. »Aber das wird nicht heute und nicht morgen sein. Später. Hoffentlich.«
Jakob nickte, und seine Brille rutschte wieder auf seine Nasenspitze. Er schob sie hoch und wirkte müde. Seine Wunden waren noch nicht verheilt, und um den Bildschirm sehen zu können, musste er sich im Bett auf den Ellbogen aufstützen. »Darf ich mehr Fotos sehen?«
»Klar.« Dóra klickte das nächste Foto aus dem Nachtwachenraum an. Darauf schnitten Friðleifur, Margeir und ein unbekannter Mann Grimassen in die Kamera, streckten zwischen ihren in die Luft gereckten Zeigefingern und kleinen Fingern die Zunge heraus. Dóra hatte schon zahlreiche Fotos dieser Art von ihren eigenen Kindern gesehen. Sie wusste nicht, was daran cool sein sollte, und war froh, dass es diese Modeerscheinung in ihrer Jugend noch nicht gegeben hatte.
Jakob lachte kurz, als er das Foto sah. »Blöde.« Er versuchte, die Geste nachzumachen, was ihm nicht allzu gut gelang.
»Da hast du recht.«
Jakob wischte seine nasse Hand an der Bettdecke ab und drehte sich wieder zum Bildschirm. »Die kenne ich.«
Dóra rückte näher heran. Sie hatte gedacht, das Foto sei von drei Männern, aber vielleicht hatte sie sich verguckt und die Person zwischen den beiden Nachtwächtern war eine Frau. Doch das war nicht der Fall. Die Frisur der fremden Person zwischen Friðleifur und Margeir zeigte eindeutig, dass es sich um einen Mann handelte. »Meinst du den? Friðleifur?«
»Nein, den zählen wir ja nicht mehr mit, weißt du noch? Ich meine die hier.« Er zeigte auf eine Person im Hintergrund, die Dóra gar nicht bemerkt hatte – eine junge Frau.
»Wer ist das, Jakob?«
»Friðleifurs Freundin.« Er grinste breit und selbstzufrieden.
»Weißt du, wie sie heißt?«
Sein Grinsen verschwand. »Hab ich vergessen.« Er wurde unruhig und setzte sich im Bett zurecht.
»Aber du hast sie ihm Heim gesehen? Als sie Friðleifur besucht hat?«
»Nein, nein.« Jakob drückte seine Brille so fest ins Gesicht, dass der obere Teil seiner Nase ganz weiß wurde.
»Du hast sie also nicht im Heim gesehen?« Dóra dachte schon, er hätte die Frau verwechselt.
»Doch, sie war da, aber nicht zu Besuch bei Friðleifur. Sie war nur eine Freundin von ihm. Sie hat ihren Bruder besucht, Tryggvi.«
Der Geruch des Desinfektionsmittels schien plötzlich verschwunden zu sein, und Dóra richtete sich automatisch auf. »Lena?«
Jakob schlug fest mit der Hand gegen sein Bettgestell. »Tipptopp und richtig!«
Dóra saß vor demselben Blatt, das sie auf dem Tisch hatte liegenlassen, als sie zu Jakob ins Krankenhaus gefahren war, und vergrub das Gesicht in den Händen. Matthias lag auf dem Sofa in ihrem Büro. »Und?« Er rückte das kleine Kissen unter seinem Kopf zurecht. »Ist das nicht super? Jetzt hast du eine Zeugin, die Auskunft darüber geben kann, was im Heim vorgefallen ist, und ich muss nicht mehr mit ihr reden.«
Dóra stöhnte. »Schön, dass wenigstens du zufrieden bist.« Sie schaute auf. »Ich rede mit ihr, das ist nicht das Problem. Ich versuche nur, mir darüber klarzuwerden, was das bedeutet. Hat sie Friðleifur nur als Freundin besucht, oder war sie da, um das zu bekommen oder zu tun, was das Heim bei den ganzen Nachtschwärmern so beliebt gemacht hat?«
»Das kann sie dir bestimmt erzählen.«
»Bestimmt, aber da ist noch was, was mir Gedanken macht.«
»Was denn?« Matthias hatte die Augen geschlossen. Er war nach dem Fitnessstudio in der Kanzlei vorbeigekommen, weil er wusste, dass Dóra von ihrem Treffen beim Bezirksrichter zurück war.
»Ich glaube, ich sollte die Polizei kontaktieren.«
»Wegen dem Foto mit Lena?«, fragte Matthias verwundert.
»Nein, mit der rede ich zuerst selbst. Vielleicht hat sie einen Verdacht, wer Lísa missbraucht haben könnte.«
»Warum willst du dann zur
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