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Feuernacht

Feuernacht

Titel: Feuernacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardóttir
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müssen ja nicht beide reingehen, sonst sind wir doppelt so laut.«
    Dóra schüttelte trotz ihrer Zweifel energisch den Kopf, reckte sich zu Matthias’ Ohr und flüsterte ebenso leise zurück: »Wir bleiben zusammen, das verdoppelt die Chance, dass wir ihn oder sie überwältigen können.«
    »Spinnst du?«, zischte Matthias ihr ins Ohr: »Die Chance erhöht sich auf höchstens dreißig, eher fünfundzwanzig Prozent.«
    Sie beendeten ihre Rechenkünste, als Schritte aus dem verlassenen Gebäude drangen. Der Fußboden schien immer noch unter Wasser zu stehen, und jeder Schritt war von einem Platschen begleitet. Das Geräusch verstärkte sich in dem leeren Betonkasten und hatte ein dumpfes Echo. Falls Dóra nicht alles täuschte, bewegte sich die Person auf sie zu. »Ich hab das Wasser vergessen«, flüsterte sie, »wenn wir reingehen, hört man uns sofort.«
    Matthias nickte. Mit einer simplen Geste gab er Dóra zu verstehen, etwas beiseitezutreten und sich bereitzuhalten, die Polizei anzurufen. Dóra kramte in ihrer Tasche nach dem Handy, während die Schritte schnell näher kamen. Bevor sie in Deckung gehen konnte, waren die Schritte schon an der Tür. Dóra und Matthias erstarrten. Die lose Platte vor der Tür wurde ein Stück beiseitegeschoben und ein mit Jeans bekleidetes Bein und ein billiger Turnschuh kamen heraus, gefolgt vom Rumpf eines Mannes. Sobald sein Kopf draußen war, sah er sie. Einen Moment lang stand er genauso erstarrt da wie sie und quetschte sich dann zurück durch die Öffnung. Dóra war zu aufgeregt, um klar zu denken – das Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie brauchte ein paar Sekunden, um es zuzuordnen. Es war Margeir, der Mann, der mit Friðleifur zusammen als Nachtwache gearbeitet hatte. Während sie noch darüber nachdachte, folgte Matthias dem Mann in die Brandruine. Aus dem Gebäude drang das Platschen einer wilden Verfolgungsjagd. Dóra hoffte, dass Matthias Margeir verfolgte und nicht umgekehrt, und quetschte sich nach kurzem Zögern auch durch den Spalt.
    Dóra hatte den Brandgeruch schon ganz vergessen. Sobald sie im Haus war, brannte er in der Nase, und es war stockdunkel. Die Taschenlampe war in Matthias’ Jackentasche, und er hatte bestimmt keine Zeit gehabt, sie einzuschalten. Dóra tastete sich an der Wand entlang, weil sie Angst hatte, über die Gegenstände zu stolpern, die noch im Wasser schwammen. Der Beton war eiskalt und verdreckt, aber Dóra folgte dem Lärm ins Innere des Gebäudes. Als sie gegen eine Querwand stieß, hörte sie, dass sich die Geräusche veränderten. Dumpfes Knallen und Gluckern. Einer oder beide Männer waren hingefallen. Dóra hoffte, dass es nicht Matthias war, und eilte in die Richtung, aus der Schlaggeräusche und Stöhnen drangen. Wenigstens gab es keine Schreie und Schmerzenslaute. Plötzlich wurde es totenstill, nur ein Keuchen war noch zu hören. Dóra beschleunigte ihren Schritt, bremste aber ab, als sie hörte, dass die Männer auf sie zukamen. Sie gingen langsamer als vorher, und Dóra war erleichtert, als sie hörte, wie Matthias dem Mann befahl, vorwärtszugehen. Ein Seufzer entfuhr ihr. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Als sie nach Matthias rief, entgegnete er, sie solle schnell rausgehen. Vorsichtig tastete sie sich denselben Weg zurück, heilfroh, die Finsternis und den erstickenden Brandgeruch hinter sich zu lassen. Am Eingang hielt sie die Türplatte auf, damit etwas Licht ins Haus drang.
    Endlich erschien Matthias mit Margeir im Schlepptau, und sie zerrten den jungen Mann gemeinsam aus dem Haus. Er wehrte sich heftig, und als Dóra spürte, wie der Nagel ihres Zeigefingers abbrach, zischte sie: »Mann, was soll das?« Etwas ruhiger fügte sie hinzu: »Jetzt komm schon raus, oder willst du dich hier niederlassen?« Im selben Moment gab Matthias dem Mann einen kräftigen Schubs, so dass er nach draußen geschleudert wurde und rücklings im Schnee landete. Er war dreckig, abgehetzt und hielt sich den Arm.
    Als Matthias ein paarmal tief durchgeatmet hatte, beugte er sich über ihn und packte ihn an der Schulter. »Steh auf, sonst holst du dir hier noch den Tod. Wir setzen uns in den Wagen und warten auf die Polizei.«
    »Lieber würde ich hier krepieren.« Der Mann schaute sie nicht an und lag mit geschlossenen Augen am Boden.
    »Stell dich nicht so an, steh auf!« Dóra beugte sich ebenfalls über ihn und half Matthias, ihn aufzurichten. »Du bist doch Margeir, oder?«
    Er riss die

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