Feuernacht
Beratung rausreden, auch wenn allen, die das lesen, klar ist, was Sache war.«
»Falls das jetzt überhaupt noch jemand lesen wird«, sagte Dóra. Sämtliche Computer aus Jósteinns Werkstatt waren von einem Mitarbeiter des Justizministeriums abgeholt worden – es war also ziemlich sicher, dass Einvarður den Laptop zurückbekommen und hatte verschwinden lassen.
Jósteinn zupfte an einem losen Faden in dem gestickten Muster auf dem Kissen. »Es ist an dir, dass zu beweisen, das solltest du ja jetzt können, wo du weißt, wonach du suchen musst.«
»Nichts von dem, was du gelesen hast, sagt etwas über den Brand aus. Das ist zwar alles sehr interessant, aber wenn Einvarður nicht offen in einer E-Mail sagt, dass er den Brand gelegt hat, gibt es nichts, was auf ihn hindeutet. Ein anderer Mann steht unter Verdacht. Außerdem war Einvarður an dem besagten Abend mit seiner Frau bei einer Betriebsfeier in Selfoss. Es ist ihm schwer nachzuweisen, dass er in die Stadt gefahren ist, den Brand gelegt hat und dann wieder zurück nach Selfoss gefahren ist. Seine Frau müsste das mitbekommen haben, und die hätte es nie zugelassen.«
»Du wirst es schon noch rausfinden.« Jósteinn zupfte geduldig an dem Faden und zog ihn seelenruhig aus dem Kissen. Das feuerrote Garn stammte von einer großen Rose. »Habt ihr einer Maus schon mal die Gedärme rausgezogen?«
»Nein. Haben wir auch nicht vor«, knurrte Matthias.
Jósteinn legte das Kissen neben sich und starrte ihn an. »Schade.«
»Würdest du bitte wieder zum Thema kommen?« Dóra wurde übel, sie konnte Jósteinns Bemerkungen nicht länger ertragen. »War irgendwas auf dem Laptop, das eindeutig beweist, dass Einvarður was mit dem Brand zu tun hat?«
Jósteinn zuckte die Achseln. »Habe ich doch schon gesagt, ihr hört mir nicht zu. Sein Sohn, dieser Tryggvi, hat sich plötzlich immer mehr geöffnet und wollte Verschiedenes mitteilen. Seine Eltern waren zwar hocherfreut über die Fortschritte, aber das, was Tryggvi sagen wollte, ging ihnen gewaltig gegen den Strich. Verständlicherweise.« Er legte seine Hand wieder auf das Kissen, und Dóra wurde blass bei dem Gedanken, dass er noch einen Faden herausziehen würde. »Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn rauskommt, dass seine Frau Fahrerflucht begangen hat, nachdem sie ein Kind überfahren hat? Ist das weniger schlimm als das, was ich getan habe? Ich habe schließlich niemanden umgebracht.« Er verstummte, fügte dann aber bedauernd hinzu: »Leider nicht.«
Matthias setzte sich auf dem Sofa zurecht. »Und Tryggvi soll das gesehen haben? War er mit im Wagen?«
»Ja.« Jósteinns Stimme war noch genauso emotionslos wie vorher. »Er hat vorne gesessen und alles gesehen. Die Tochter war auch dabei. Wegen Tryggvis heftiger Reaktion auf den Unfall ist seine Mutter einfach weitergefahren, das behaupten sie zumindest, obwohl man auch vermuten könnte, dass sie einen über den Durst getrunken hat.«
Dóra saß schweigend da. Das war die Erklärung dafür, warum Tryggvi sich nicht mehr in ein Auto setzen wollte. Für Fanndís und Einvarður musste es ein Schock gewesen sein, als die erfolgreiche Therapie ihres Sohnes genau das ausgelöst hatte, wovor sie am meisten Angst hatten. Der Junge konnte endlich, wenn auch nur begrenzt, in Kontakt mit seiner Umwelt treten, und alles, was er versuchte auszudrücken, drehte sich um den tödlichen Unfall auf dem Vesturlandsvegur. Sarkastisch. Die Zeichnung zeigte nicht Lísa, sondern die junge Babysitterin, und das Friedenszeichen war vermutlich das Lenkrad. Wenn man die Buchstabenreihe spiegelte, erschien die Nummer des Autokennzeichens der Eltern, NN 180 – der Wagen, den Fanndís an jenem Abend gefahren war.
»Und Ari hat Jakobs Fall übernommen, um sicherzustellen, dass bei dem Prozess nicht weiter nachgeforscht wird?«, fragte Dóra.
»Er wusste nur, dass er alles, was mit Tryggvi zu tun hatte, außen vor lassen sollte, seine Zeichnungen, seine Faszination für Feuer. Die Heimleiterin hat Einvarður auch geholfen, ein paar Dinge zu vertuschen, ohne genau zu wissen, warum. Wenn sie auch nur für einen Moment nachgedacht hätte, wäre ihr sofort klargeworden, dass sie dadurch gegen einen Unschuldigen handelt. Jakob. Einvarður sagt zwar nirgendwo explizit, dass seine Frau und er den Brand gelegt haben, aber das lese ich aus verschiedenen Dingen heraus.«
»Aus welchen?« Matthias lehnte sich vor, sank aber sofort wieder zurück, als er merkte, wie nah er Jósteinn gekommen
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