Feuerprinz
geschickt, als der Sturm des dunklen Gottes über die Wälder von Isnal und die Schwarze Wüste kam.«
»Heißt das – du hast die ganze Zeit gewusst, wo die Greife sind?«
Dawon schüttelte arglos den Kopf, sich keiner Schuld bewusst. »Nona hat es gewusst. Dawon hat es erst heute von ihr erfahren.«
Degan kämpfte seine Wut auf ein erträgliches Maß herunter. Nona! Er würde sie niemals verstehen – ihre Geheimnistuerei, ihre unterschwellige Art, andere zu bevormunden und zu lenken.
Dawon umflog das seit vielen Jahresumläufen unbewohnte Taligebirge. Seit Tojar die Taluk nach Engil geführt und dort angesiedelt hatte, lebte kein Mensch mehr freiwillig im ewigen Eis. Degan war ebenfalls froh, dass sie das kalte Gebirge zu ihrer Linken ließen und Dawon stattdessen den Sandfluss überflog. Am frühen Abend erreichten sie das angenehm warme Wiesenland mit seinen weitgestreckten baumlosen Ebenen. Der Flug war ohne Zwischenfälle verlaufen. Kein einziger Greif war ihnen begegnet. Noch nicht einmal Suragon hatte sie verfolgt. Degan fand diesen Umstand beinahe beunruhigend.
Als Dawon landete, war Degan froh, endlich wieder auf seinen eigenen Füßen zu stehen. Trotzdem blieb sein ungutes Gefühl. »Warum sind wir nicht angegriffen worden? Elven will meinen Tod. Das wäre eine gute Gelegenheit gewesen.«
Dawon hockte sich ins Gras und begann, ausgiebig seine Schwingen zu strecken und zu spreizen. Er schien nicht gerade besorgt. »Greife bleiben in Engil. Nona sagt, dass etwas geschehen ist mit Elven.«
»Was ist mit ihm geschehen?«
Dawon zuckte mit den Schultern und stand auf. Er schien nichtdaran interessiert, dieses Mysterium weiter zu ergründen. Dann wies er mit dem Finger auf die weite Ebene, die sich vor ihnen erstreckte. »Degans Greife warten am See.«
Es wurde bereits dunkel, als sie den die untergehende Sonne spiegelnden See erreichten. Degan hatte darauf bestanden, dass sie den letzten Weg zu Fuß zurücklegten. Insgeheim fürchtete er, dass die Greife Dawon attackieren würden, wenn er sich ihnen im Flug näherte. Immer wieder musterte er seinen Vater aus den Augenwinkeln. Dawon war sich der Gefahr, in der er schwebte, nicht bewusst. Nach wie vor fiel es Degan schwer, Dawon in seinen Gefühlen einen Platz einzuräumen. Wie ein Vater benahm er sich nicht, eher wie ein kleiner Bruder. Aber von dem ließ man sich nicht retten oder durch die Luft tragen. Dawon blieb ein unlösbares Rätsel für ihn. Sein Vater schnupperte an den blühenden Wiesenblumen, die am Ufer des Sees wuchsen, und pflügte mit seinem nackten Fuß das Gras, damit es an seinen Fußsohlen kitzelte. Aufgeregt wies er auf die bauschigen Wolken, die langsam am Himmel vorbeizogen. »Wiesenland ist schön, nicht wahr? War noch viel schöner, als Lalufrauen noch hier lebten.«
Degan sah hinauf in die Bäume und suchte den Horizont ab. Doch obwohl seine Augen sehr gut waren, entdeckte er nirgendwo einen Greif. »Sie sind nicht hier«, stellte er fest und wusste nicht, ob er darüber erleichtert sein sollte oder beunruhigt. Wenn er die Greife nicht fand, gab es keinen Grund, nach Engil zu gehen.
Dawon teilte seine düsteren Gedanken offensichtlich nicht, tauchte stattdessen seinen Fuß in den See und lächelte über die Kreise im Wasser, während Degan auf die Knie ging und mit den Händen Trinkwasser schöpfte.
»Ein schöner Ort«, sinnierte sein Vater wehmütig.
Degan schüttelte den Kopf. Solche Sorgen hätte er auch gernegehabt! Als Dawon ihm erklärte, dass die Blätter der Bäume am See genießbar waren, brach er einen niedrig hängenden Zweig ab und begann, sich die Blätter in den Mund zu stopfen. Sie schmeckten leicht süß und waren saftig. Kein Festmahl, aber auch nicht unangenehm. Kurze Zeit später ließ Degan sich gesättigt ins Gras fallen. Dawon hockte sich neben ihn und runzelte die Stirn. »Hier hat Dawon Xiria getroffen und ihr versucht beizubringen, was gut und was schlecht ist. Aber Xiria hat es nicht verstanden.«
Degan schluckte die letzten Blätter fast unzerkaut hinunter. Plötzlich lagen sie ihm wie Steine im Magen. Er wollte nicht über Xiria sprechen. Sie hatte Dawon mit ihren Klauen schlimm zugerichtet. Aber das war ein Missverständnis gewesen. »Schluss damit!«, sagte er gepresst.
Dawon sah ihn unglücklich an. »Dawon tut es leid. Er mochte Xiria, aber ihr Hass war zu groß.«
Degan spürte, wie Wut ihm brodelnd vom Herz hinauf in den Kopf stieg. Gleich würde er die Kontrolle verlieren! Genau wie
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