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Feuerprinz

Feuerprinz

Titel: Feuerprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wandte den Kopf und sah sich um. Als sie niemanden entdeckte, spürtesie das Zupfen erneut. »Hier unten, Tochter von Engil«, vernahm sie eine krächzende Stimme. Lin entdeckte zwei winzige Äuglein, die sie aus einem runzeligen Gesicht anstarrten. Schlohweißes, dünnes Haar hing der Alten über die Schultern. Ihr ausgemergelter Körper steckte in einem viel zu großen Gewand aus Schafwolle, gegürtet mit einem Leibriemen aus groben Bellockfasern, an dem einige Kräuterbündel befestigt waren. Die ganze Gestalt reichte ihr gerade bis unter die Brust. Eine Waldfrau … Unvermittelt verspürte Lin einen kalten Schauer. Meist brachten die Waldfrauen unangenehme Botschafen, wenn sie sich die Mühe machten, nach Engil zu kommen. »Was willst du von mir?« Sie verbarg das Misstrauen in ihrer Stimme nicht. Die Waldfrauen waren Verkünderinnen göttlicher Gebote, und im Allgemeinen wurde es als Ehre empfunden, wenn die Götter sich dazu herabließen, einem Menschen eine Botschaft durch die Waldfrauen zu senden. Doch nach den seltsamen Erlebnissen der letzten Tage verspürte Lin wenig Lust auf göttliche Verkündungen … sierechnete nicht mit etwas Gutem. Wie zum Beweis krächzte die Alte in einem sonoren Singsang: »Priesterin Lin … Tochter der Macht … die Zeit ist gekommen, also gib Acht … Tochter von Engil, die du bist zwei … meide das Feuer, ruf es nicht herbei.«
    Lin starrte sie an, während sie darüber nachdachte, was das Orakel zu bedeuten hatte.
    Die Alte wollte ihres Weges gehen – sie war ihre Botschaft losgeworden. Lin hielt sie entschlossen an ihrem knochigen Arm fest. Die Waldfrau stieß ein erbostes Zischen aus. »Lass mich los, Tochter von Engil …«, geiferte sie.
    Lin wusste nicht, woher sie ihren Mut nahm, die mächtige Waldfrau herauszufordern, doch sie hatte genug davon, mit unverständlichen Botschafen und Visionen bedacht zu werden. »Ichhabe genug von göttlichen Geheimnissen. Ich hatte eine Vision … eine schreckliche Vision.«
    Die Alte gab ihre Gegenwehr auf, verzog ihren fast zahnlosen Mund zu einem Grinsen und meckerte. Um sie herum tanzten noch immer ausgelassen die Menschen, lagen sich in den Armen und prosteten sich zu. Niemand schien die gespannte Stimmung zwischen ihr und der Waldfrau wahrzunehmen.
Wie nah liegen Glück und Unglück manchmal beieinander,
kam es Lin in den Sinn, während die Alte sich zu einer Antwort herabließ. »Tochter von Engil hat keine Geduld, doch es gilt einzulösen eine alte Schuld.« Unverschämterweise streckte sie ihr die knochige Hand entgegen, um sich für die zweite Verkündung entlohnen zu lassen. Lin schnaubte verächtlich und ließ die Alte los.
    »Was ist, Tochter von Engil … bist du kleinlich oder gar arm?«, meckerte die Alte vorwurfsvoll.
    Lin ärgerte sich über die Gier der Alten, und sie ärgerte sich noch mehr darüber, dass sie tatsächlich einen Ring von ihrem Finger zog und ihn der Waldfrau überließ. Diese beschwerte sich über die, wie sie meinte, geizige Belohnung für ihre wichtige Verkündung. Lin verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich ab, um ihr klarzumachen, dass sie nicht bereit war, ihr mehr zu geben. Sie dachte über das Gesagte nach. Die Waldfrau hatte von einer Schuld gesprochen.
Du bist es mir schuldig!
, erinnerte sie sich an die grollende Stimme in ihrer Vision.
    Als Lin sich wieder zu ihr umwandte, war die Alte verschwunden. Irritiert sah sie sich um, konnte die Waldfrau jedoch nirgendwo ausmachen. Sie hatte sich doch nur für einen Augenblick abgewandt. Jemand musste sie bemerkt haben. »Hast du gesehen, wohin die Waldfrau gegangen ist?«, fragte sie einen stark angetrunkenen Mann, der neben ihr stand. Aus glasigen Augen starrte er sie an. »Welllllsche Walllldfrau?«
    Lin wandte sich von ihm ab, um seiner feuchten Aussprache und dem säuerlichen Atem zu entkommen. In seinem Zustand hätte ein bunt bemaltes Falbrind vor ihm stehen können und er hätte es nicht bemerkt.
    Der Betrunkene wollte jedoch die Gunst der Stunde nicht ungenutzt verstreichen lassen, fasste sie um die Taille und versuchte, sie mit sich auf den Tanzplatz zu ziehen. »Di schööööne betrübbbte Linnn …«, lallte er weinselig.
    »Such dir jemand anderen … ich bringe nur Unglück!« Sie riss sich von ihm los und rannte Richtung Tempel, wobei sie sich ihren Weg über den Tanzplatz bahnen musste. Sie konnte all diese Zeichen nicht mehr für sich behalten. Es war Zeit, mit Ilana und Tojar darüber zu sprechen.
     
    Vor dem

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