Feuerprobe der Liebe - 1 Teil der Miniserie The great London fire - Historical Bd 217
war, das in der Mitte saß.
„Werft die Strümpfe!“
„Zielt auf die Nase Seiner Lordschaft.“
Desirée holte tief Luft, schloss die Augen und schleuderte die Strümpfe über die Schulter nach hinten. Belohnt wurde sie mit Hochrufen und Gelächter.
„Ein Treffer! Unleugbar ein Treffer!“
Desirée drehte sich um und stellte fest, dass ein Strumpf über Halross’ Kopf lag. Er lächelte sie etwas schief an. Sie gewann den Eindruck, dass er die Spiele seiner Gäste eher geduldig über sich ergehen ließ, anstatt sie wirklich zu genießen.
„Ein sicheres Zeichen, dass Ihr bald heiraten werdet!“, rief einer der älteren Männer. „Wen von uns wollt Ihr nehmen, Mädchen?“
„Still jetzt, es ist Zeit für den Brauttrunk!“
Alle sahen zu, wie der reich verzierte Kelch dem Paar im Bett gereicht wurde. Desirée wusste, dass er eine Mischung aus Milch, Wein, Eiern, Zucker und Gewürzen enthielt. Athena nippte nur ein paar Mal, aber Lord Halross hob den Kelch und prostete ihr zu. „Auf meine geliebte Gemahlin“, sagte er und leerte unter allgemeinem Jubel das Gefäß.
„Nun, da wir euch so viel Unterhaltung geboten haben, überlasst uns unserem Vergnügen. Sonst stehe ich auf und jage euch hinaus!“, verkündete Halross und rief damit erneute Heiterkeit hervor.
Desirée bewegte sich auf die Tür zu. Die Hochstimmung im Zimmer beunruhigte sie. Ohne dass die anderen es bemerkten, schlüpfte sie hinaus. Jakob war dort drinnen. Ein Mann wie alle anderen, der mit dem Bräutigam scherzte. Er hatte zugesehen, wie sie die Strümpfe geworfen hatte, und gehört, wie man rief, dass sie bald heiraten würde. Es war bedeutungslos, nur ein altes Spiel. Aber dachte er vielleicht … was dachte er?
Sie war verwirrt und unruhig, wusste nicht, was sie tun oder wohin sie gehen sollte. Aus der großen Halle drangen noch immer Musik und Gelächter heraus, und bald würden die Gäste, die das Brautpaar zu Bett geleitet hatten, dorthin zurückkehren. Bis in die frühen Morgenstunden würde das Fest weitergehen, auch ohne die Gegenwart der Gastgeber.
Ganz plötzlich fühlte Desirée das überwältigende Bedürfnis, allein zu sein, Stille und Abgeschiedenheit zu suchen, um ihre Fassung zurückzugewinnen. Sie eilte durch die Halle und eine Treppe hinauf, wollte unbedingt in ihrem Schlafgemach sein, ehe die Gäste zurückkehrten.
Abgesehen von dem Mondlicht, das durch das Fenster hereinfiel, war es dunkel in dem Zimmer. Keine Kerzen brannten, und der Kamin war kalt. Niemand hatte damit gerechnet, dass sie das Fest so bald verlassen würde.
Es war fast Vollmond. In jener Nacht, als sie in Kilverdales Haus in Putney neben Jakob gelegen hatte, war auch Vollmond gewesen. Seitdem war ein ganzer Monat vergangen. Ruhelos ging sie im Zimmer umher. Sie war wegen der Abgeschiedenheit hierher gekommen, doch das Alleinsein beschwichtigte nicht ihre aufgewühlten Gefühle. Nach den Ereignissen im Brautgemach war sie erregt und angespannt. Desirée ging zum Frisiertisch hinüber, um die Handschuhe zu betrachten, die Halross ihr am Morgen überreicht hatte, eines der traditionellen Geschenke des Brautpaares an die Hochzeitsgäste.
Sanft schimmerte die herrliche Goldstickerei im Mondlicht. Bei seiner Hochzeit hatte Halross keine Kosten gescheut. Meist wurde Gold als passende Farbe für eine Witwe angesehen, und in dem schimmernden Stoff hatte Athena großartig ausgesehen. Indem er mit solchem Pomp und Glanz eine Witwe ohne eigenes Vermögen heiratete, hatte Halross seinen Freunden, seiner Familie und den Nachbarn eine eindeutige Botschaft zukommen lassen. Die neue Lady Halross war mit allem gebührenden Respekt zu behandeln. Sie war in jeder Beziehung die Frau seiner Wahl.
Trauer überkam Desirée. Sie fragte sich, ob sie jemals solche Hingabe erfahren würde. Sie legte die Handschuhe beiseite und wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte. Aus der Ferne glaubte sie ganz schwach Musik und Gelächter zu hören, doch vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, weil sie wusste, dass das Fest weiterging. Dieser Teil des Hauses war sehr still – geradezu beunruhigend still. Das Rascheln ihrer Röcke bei jeder Bewegung erschien ihr unglaublich laut. Unschlüssig blieb sie vor dem Frisiertisch stehen. Zu den Feiernden wollte sie nicht zurückgehen, aber sie war auch noch zu unruhig, um zu schlafen. Tatsächlich konnte sie erst ins Bett gehen, wenn die Zofe ihr das Mieder aufgeschnürt hatte. Ohne Hilfe vermochte sie ihr neues Kleid nicht
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