Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Teller lag – elfeinbeinfarben und glänzend – ein Zahn von der Größe eines Krummsäbels. Der Hamster stoppte den Teewagen, nahm den Teller und stellte ihn vor Maria auf den Tisch, sodass alle ihn sehen konnten. Der Hamster tat es stolz und in der Erwartung, für sein Tun gelobt zu werden.
    „Vielen Dank“, sagte Maria, der heiß und kalt geworden war, beim Anblick des Zahns. Ihre Hoffnung, dass der Hamster nun ohne eine weitere Erklärung wieder verschwinden würde, erfüllte sich leider nicht.
    „Wir dachten, Ihr würdet den Zahn vielleicht gerne behalten! Als Erinnerung!“
    Wenn es geholfen hätte, in diesem Moment in eine tiefe Ohnmacht zu fallen, hätte es Maria getan. Doch da es nicht helfen, sondern alles nur noch schlimmer machen würde, gab sich Maria alle Mühe, so zu tun, als handle es sich bei diesem Vorfall um etwas ganz Normales.
    „Das ist eine sehr gute Idee“, lobte sie den Hamster. „Wo könnten wir den Zahn denn am besten unterbringen?“
    „In der Bibliothek, würde ich vorschlagen. Im Kabinett.“
    „Wunderbar“, sagte Maria. „Würdest du das für mich erledigen?“
    Das tat der Hamster sehr gerne. Der Teller wurde wieder auf den Teewagen gepackt und mitsamt dem Teewagen aus dem Wohnzimmer geschoben. Mit einem leisen Geräusch fiel die Tür hinter dem Hamster ins Schloss.
    „Was war denn das ?“, fragte Scarlett.
    Maria schämte sich ohnehin schon in Grund und Boden. Ihre diensteifrigen Tierchen hatten offensichtlich erfasst, dass der Vorfall in der Bibliothek für Maria eine gewisse Bedeutung gehabt hatte, und ihr als Souvenir diesen einen Zahn eines Pantols aufgehoben. Maria hoffte inständig, dass das nicht zu tief blicken ließ, sondern alle anderen, die über die Pantols Bescheid wussten, einfach nur glaubten, dass die Tiere in der Spiegelwelt ein bisschen verrückt waren.
    Scarletts Ausruf versetzte Maria nun zusätzlich in Verwirrung. Warum fragte sie? Warum lenkte sie Grohanns Aufmerksamkeit auf diese Sache statt so zu tun, als wäre nichts gewesen? Wusste sie etwa nicht, was an jenem Tag passiert war? Hatte ihr Gerald nichts von dem Ausflug in die Spiegelwelt und den Pantols erzählt?
    Maria wagte es nicht, Gerald anzusehen oder sonst irgendwen. Viego Vandalez tat sein Bestes, um die Situation zu klären.
    „Es war mir neu, dass es in der Spiegelwelt Fossilien gibt!“, sagte er. „Das sah mir ganz nach dem Zahn eines Theropoden aus!“
    „Mir ist es auch neu, Herr Vandalez“, erwiderte Maria. „Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade ein Buch über Ausgrabungen lese.“
    „Was redet ihr da für einen Unsinn?“, fragte Grohann mit seiner tiefen Stimme, die alles zunichte machte, was sich Viego und Maria noch an Lügengeschichten hätten ausdenken können. „Dieser Zahn hat eine sehr lebendige Aura. Das Tier, dem er gehörte, dürfte noch vor einer Woche putzmunter gewesen sein. Und es war mitnichten ein Theropode!“
    Viego Vandalez verzog seinen Vampirmund zu einem halbherzigen Grinsen.
    ‚Einen Versuch war’s wert’, sagte der Blick, den er Ritter Gangwolf zuwarf.
    Ritter Gangwolf antwortete mit einem skeptischen Stirnrunzeln, da er ein Steinbock-Donnerwetter erwartete. Doch dieses blieb aus. Zu ihrer aller Überraschung ließ Grohann die Angelegenheit auf sich beruhen, ohne weitere Fragen zu stellen, und machte dort weiter, wo er aufgehört hatte, als der Hamster mit dem Teewagen hereingekommen war.
    „Wie ihr euch sicher denken könnt, habe ich die letzten zwei Wochen darauf verwendet, die Zeichen von Tann zu entschlüsseln und neu zu schreiben, damit das Wissen, das sie schützen, vor Dorn sicher ist. Die alten Zeichen sind also nicht mehr gültig und die neuen Zeichen müssen an Träger verteilt werden, die in der Lage sind, ein Geheimnis zuverlässig zu hüten.“
    „Sie sind noch nicht verteilt worden?“, fragte Viego Vandalez.
    „Das ist das Heikle an der Angelegenheit und der Grund, warum wir uns hier in der Spiegelwelt treffen“, sagte Grohann. „Die Zeichen sind schon verteilt worden, aber ich habe mir erlaubt, das Wissen, das sie erschließen, ein bisschen zu … verändern.“
    Viego Vandalez und Ritter Gangwolf starrten den Steinbock so überrascht und ungläubig an, dass auch Lisandra, Maria, Thuna, Scarlett und Gerald klar wurde, dass Grohann etwas Ungeheuerliches gesagt haben musste. Berry wiederum hatte die Tragweite dieser Neuigkeit längst erfasst. Ihre Augen wurden schmaler und sie lehnte sich in ihrem Sessel vor, um Grohann