Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
war, dass der Tresen, an dem er sich abstützen wollte, nachgab und einbrach, weil er so morsch war. Das Zweite war, dass die Luft, die er einatmete so trocken war, dass er furchtbar husten musste. Das Dritte war, dass er lebte! Und lebte. Und immer noch lebte.
Die Luft brannte wie Feuer in seiner Lunge, aber er kam damit aus und konnte auch irgendwann zu husten aufhören. Sich noch irgendwo abzustützen oder etwas anzufassen in dem Laden, gewöhnte er sich schnell ab. Alles, was aus Holz war, brach durch, und alles, was einmal organisch und weniger stabil gewesen war, zerplatzte sofort zu Staub, der das Atmen erschwerte.
Bei der Gelegenheit wunderte sich Gerald mal wieder darüber, dass es keine Toten gab. Er hatte in all den Wochen, die er hier herumgelaufen war, keine Überreste von Lebewesen gesehen, weder von Menschen noch von Tieren. Nicht mal von Vögeln oder Insekten. Aber ein Laib Brot lag noch da wie unversehrt. Gerald konnte es nicht lassen: Er tippte das Brot mit der Fingerspitze an und – ploff! – sackte es in sich zusammen zu pulverförmigem Staub.
Als Gerald versuchte, den Laden zu verlassen, musste er feststellen, dass es um die Dielen auch nicht mehr gut bestellt war. Er drückte sich an den Mauern entlang, die porös waren, doch noch standfest genug, um ihm Halt zu geben, und trat aus der Tür. Wenn er sich nicht täuschte, war der Himmel heller geworden. Das Schwarz zwischen den Sternen war durchscheinender, vielleicht sogar ein bisschen blau.
Er beobachtete den Ausschnitt vom Himmel, den er sehen konnte, und wartete, bis der nächste Schwarm von fliegenden Schatten darüber hinweggeglitten und verschwunden war. Jetzt lief er schnell die Straße hinauf und suchte in einem Gemäuer Schutz, das er für stabil hielt. Hier blieb er, bis er sich stark genug fühlte, den letzten Abschnitt des Weges unsichtbar und unangreifbar zurückzulegen.
Kapitel 26: Das Lebenslicht
Etwas war anders als sonst. Schon von Weitem sah Gerald, dass die Tür, die in Marias Spiegelwelt führte, fast verschlossen war. Nur ein kleiner Spalt stand noch offen. Das war noch nie vorgekommen. Grohann hielt sie normalerweise auf, damit Gerald so schnell wie möglich in die Spiegelwelt gelangen und wieder sichtbar werden konnte.
Zum Glück hatte Gerald durch seine Pause in der verlassenen Stadt noch genügend Kraft, um die Tür zu durchdringen. Dahinter wollte er sich eigentlich greifbar machen, ließ es aber ganz schnell bleiben, da er mitten im Kampfgetümmel gelandet war. Er verstand gar nicht, wer da gegen wen kämpfte, und blickte sich orientierungslos um. Nicht weit von ihm entdeckte er Grohann, der zusammen mit drei Makülen die Treppe freihielt, damit andere Krieger nachrücken und ihnen zu Hilfe kommen konnten. Offensichtlich ging es darum, den Gang vor der Tür zur toten Welt zurückzuerobern, den sie verloren hatten.
Immer noch unsichtbar und unangreifbar lief Gerald zwischen den Kämpfenden hindurch, an den Makülen vorbei und ein paar Stufen die Treppe hinab, bis er sich in den eigenen Reihen befand und halbwegs geschützt war. Hier wurde er sichtbar und schrie gegen den Lärm an, von dem er umgeben war.
„Hier, Grohann, ich bin hier!“
Grohann warf den Kopf herum.
„Na, endlich!“, rief er. „Hast du noch Reserven?“
„Ja, ein bisschen!“
„Lauf zu dem Spiegel, den wir heute Morgen benutzt haben. Bring Maria raus! Auf die Weise können wir die Zugänge schließen und hoffentlich das Blatt wenden!“
Gerald wusste, die Zeit war zu wertvoll, um sie mit Fragen zu vergeuden. Er wurde wieder unangreifbar und rannte staunend, erschrocken und ungläubig durch das Kriegsgeschehen, das die gesamte Spiegelwelt ergriffen hatte. Es waren viel zu viele Soldaten, Krieger und Zauberer, die hier wüteten und sich gegenseitig zu verdrängen versuchten. Immer wieder fielen welche zu Boden und mussten abtransportiert werden. Neue Kämpfer nahmen ihre Stelle ein.
Wer in diesem Getümmel die Oberhand gewann, war für Gerald nicht zu erkennen. Er hatte auch keine Zeit zu verlieren. Er rannte von einem Zimmer ins nächste und als er nur noch zwei Räume von seinem Ziel entfernt war, entdeckte er Scarlett, Viego und Hanns. Sie versuchten, eine Flügeltür zu halten, die unter schwerem Beschuss stand. Gerald wagte es nicht, zu ihnen vorzudringen oder gar den Zaubererkrieg, der da tobte, zu durchqueren, unangreifbar oder nicht.
Er musste einen anderen Weg wählen, um zu Maria zu kommen. Während er noch
Weitere Kostenlose Bücher