Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Haul unmittelbar neben ihnen. „Lissi, wir sollten uns an den Türen aufstellen, du an der einen, ich an der anderen.“
Lisandra und Haul verschwanden und Maria kletterte mit einen Bein durch den Spiegel, sodass sie im Rahmen sitzen bleiben konnte. Sie saß zur Hälfte im Trophäensaal und zur Hälfte in der Spiegelwelt und wartete. Gleichzeitig spürte sie, dass mit ihrem Kopf etwas nicht stimmte. Oder mit ihrem Denken. Es war, als geriete es durcheinander, und sie musste sich sehr konzentrieren, um nicht in einen wirren Traum zu geraten. Gerade musste sie eine Sinnestäuschung abwehren, die ihr vorgaukeln wollte, dass sich der Trophäensaal in seine Bestandteile auflöste.
Sie ahnte, woran das lag. Es waren die vielen fremden Menschen, die in die Spiegelwelt eindrangen, viel zu viele für einen einzigen Geist. Zumal sie in kriegerischer Absicht kamen, zerstörungswütig und bereit, jeden Widerstand zu zerschlagen. Maria war diesem Ansturm nicht gewachsen. Sie wurde überschwemmt von fremdartigen Gedanken und Bildern und dem gnadenlosen Eroberungswillen eines Feindes, dessen übermächtige Anwesenheit in ihrem Kopf kaum zu ertragen war.
Sie wehrte sich dagegen, geistig unterzugehen, und bemühte sich um Ordnung. Fürs Erste kam sie klar. Sie konnte sich abschotten, doch sie merkte, wie ihre Schutzwälle bröckelten. Ewig würde sie gegen die Besetzung ihres Geistes nicht ankommen. Zumal es immer schlimmer wurde, der Strom von Eindringlingen riss nicht mehr ab. So sehr sie sich auch um Klarheit bemühte, es half nichts. Bald war sie benommen und litt unter marternden Kopfschmerzen.
Als endlich die erste Abordnung der Verstärkung kam – eine von vielen, vielen Kampfeinheiten, die an diesem Tag vom Trophäensaal aus in Marias Spiegelwelt einsteigen würden – konnte sie die Kämpfer schon nicht mehr deutlich erkennen. Sie sah nur ihre Umrisse. Diese verrieten Maria, dass es sich um Maküle handelte und Soldaten, die normalerweise außerhalb von Sumpfloch stationiert waren. Sie hatten dort bereitgestanden, um die Festung im Fall eines Angriffs zu schützen. Jetzt taten sie es, aber leider in der Spiegelwelt und nicht in Sumpfloch selbst.
Maria rutschte zur Seite, bis der Rahmen des Spiegels ihre Wange berührte, um den Soldaten und Makülen Platz zu machen. Sie kletterten an ihr vorbei und dann kam auch schon der nächste Trupp in den Trophäensaal und die Stille, die Maria noch vor Kurzem so verwundert hatte, verzog sich an einen friedlicheren Platz. Soldaten, Waffen, Befehle – es wurde laut.
Maria nahm die Vorgänge verschwommen wahr, da sie mehr und mehr die Kontrolle über ihren Kopf verlor und das, was sie darin zu denken versuchte. Ihre Augen gehorchten ihr kaum noch. Alleine sie aufzureißen und etwas zu sehen, fiel ihr schwer. Sie klammerte sich an den Rahmen, in dem sie saß, mit aller Macht und mit beiden Händen, damit sie nicht in den Trophäensaal stürzte. Sie war schon in eine Art Halbschlaf gefallen, als sie von Scarlett an der Schulter gerüttelt wurde.
„Maria! Maria, was ist los mit dir?“
Es war mühsam, etwas zu erkennen. Sie blinzelte, rackerte sich ab, ihre Augen offen zu halten und versuchte, Scarlett anzusehen. Etwas zu antworten, war ihr unmöglich.
„Sie verkraftet das nicht!“, sagte Scarlett aufgeregt zu Hanns, der neben ihr stand.
Im Rahmen des Spiegels wurde es immer wieder zu eng. Viele wollten hinein, andere wollten hinaus, um Verletzte in Sicherheit zu bringen oder Strategien abzusprechen und den Krisenstab in Tolois zu kontaktieren. Der Trophäensaal wurde mehr und mehr zum Krankenlager, in dem Estephaga und Ärzte, die Maria nicht kannte, Verwundete verarzteten.
„Frau Glazard!“, hörte Maria Thuna rufen. „Maria geht es nicht gut!“
„Wir müssen jetzt rein“, sagte Hanns zu Scarlett. „Komm!“
Hanns und Scarlett kletterten in die Spiegelwelt und Marias Wahrnehmung verschwamm bis zur Unkenntlichkeit. Sie hörte jemanden stöhnen. Sie hörte jemanden sagen:
„Mein Kopf! Mein Kopf! Es tut so weh!“
Und erst viel später, als sie diese Stimme nicht mehr hörte, wurde ihr klar, dass es ihre eigene gewesen war.
„Halt durch!“, rief Estephaga Glazard.
Das war das Letzte, was Maria hören und verstehen konnte. Durchhalten. Festhalten. Nicht aus dem Rahmen stürzen. Im Spiegel bleiben. Ihn durchlässig halten. Nicht aufgeben. Festhalten.
Diese Befehle, die sie sich selbst gegeben hatte, schwirrten nur noch als Echos durch ihren Kopf. Sie konnte
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