Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
möchte sie eine schmackhafte Schildkrötensuppe zubereiten und mit einem goldenen Löffel an die Faulhunde verfüttern. Meinen Schädel schließlich will sie fein säuberlich abgenagt im Trophäensaal an die Wand nageln, gleich neben das falsche Einhorn. Das sagt sie, aber sie wird nichts dergleichen tun. Denn sie ist genau da, wo sie sein will. Jeder unbedachte Schritt brächte sie nur fort von hier. Hylda ist eine beherrschte Cruda. Sie lässt den Bäcker am Leben, um sich die täglichen Brötchen zu sichern. Auf diese Weise hat sie Jahrtausende überlebt.“
„Aber am Ende waren die Bäcker immer tot“, wandte Viego ein. „Ich wage mir kaum auszumalen, was passieren wird, wenn sie hat, was sie will, und uns nicht mehr braucht.“
„Es wäre Zeitverschwendung, sich das auszumalen“, erwiderte Grohann. „Wir müssen uns um die Gegenwart kümmern. Meine größte Sorge ist, dass Sumpfloch angegriffen wird. Präsident Mohikan hält Heere in Bereitschaft, die im Ernstfall sofort eingreifen. Aber was hilft uns das, wenn sich ein paar Unbeugsame zusammenrotten und ganz plötzlich hier auftauchen? Gemeinsam mit Hylda kann ich die Festung halten, wenn es hart auf hart kommt, alleine schaffe ich das eher nicht.“
„Und wenn sie Verbündete hat? Sie könnte die Lage auskundschaften und plötzlich mit einem der besagten Unbeugsamen hier anrücken, um alles an sich zu reißen!“
„Sie hat nur einen Verbündeten und das bin ich. Mit den Unbeugsamen ist sie heillos zerstritten. Sie ist schon immer eine Einzelkämpferin gewesen. Dass sie sich gerade so brav einfügt, ist der Not geschuldet. Ihr bleibt keine andere Möglichkeit.“
„Ich hoffe, Sie haben recht, Grohann. Sie glauben also, dass Scarlett vor ihr sicher ist?“
„Zurzeit ja. Natürlich sollte Scarlett sehr vorsichtig sein und ihr aus dem Weg gehen.“
„Ich werde Scarlett darauf hinweisen.“
Ja, das würde Viego Vandalez tun. Außerdem wollte er mit ihr an den schwierigeren Seiten ihrer dunklen Talente arbeiten. Es wurde höchste Zeit, dass Scarlett lernte, ihre Gestalt zu verändern. Das war eine heikle Angelegenheit, denn womöglich hatte Scarlett ihre bösen Kräfte nicht unter Kontrolle, wenn sie sich verwandelte. Sie würde es üben müssen, Gefahr hin oder her, damit sie es konnte, wenn es darauf ankam.
Als Lisandra in der Küche eintraf, saß Rackiné schon dort. Der ehemalige Stoffhase, der mittlerweile so groß war wie ein vierzehnjähriger Junge, setzte mal wieder den harmlos-niedlichen Charme seiner Knopfaugen ein, um das Küchenpersonal zu Höchstleistungen anzutreiben.
„Was ist denn mit dem Kuchen da?“, fragte er die Molchfrau, die den Picknickkorb für Rackiné belud. „Der riecht so gut!“
„Das ist Gugelhüpfer für morgen. Wenn du magst, gebe ich euch zwei kleine Scheiben mit!“
„Fünf dicke Scheiben!“, rief Rackiné. „Wir sind zu fünft! Gibt’s auch Buttercreme? Ich liiiiebe Buttercreme!“
„Nein, tut mir leid, Rackiné. Aber ich könnte noch ein bisschen Eierpudding aus der Kühlkammer holen. Der schmeckt fast so gut wie Buttercreme.“
„Au ja!“, sagte Rackiné mit gefalteten Fellfingern. „Das wäre sooo toll!“
Während die Molchfrau zur Kühlkammer ging und Rackiné sie verfolgte, um noch etwas eisgekühlte Erdbeer-Rhabarber-Limo abzustauben, zog Lisandra den Quarzburger Nachmittagsboten aus Wanda Flabbis Fach und blätterte ihn schnell durch, auf der Suche nach Fotos. Da! Ein Foto von Hanns, wie er neben Präsident Mohikan die Treppen vom Staatspalast hinabstieg. Die beiden waren offensichtlich in ein Gespräch vertieft.
Lisandra kniff die Augen zusammen, doch das schwarz-weiße Bild gab nicht viel her. Da waren Menschen im Hintergrund, eine Menge sogar, aber das Bild war verschwommen, man erkannte keine Gesichter. Irgendwo inmitten dieser Menschen befand sich Haul. Ganz bestimmt! Denn er wich nicht von Hanns’ Seite.
Lisandra setzte sich auf einen Küchenstuhl und entzifferte Buchstabe für Buchstabe den Text unterm Bild. Zwischendurch hörte sie einen lauten Schrei aus der Kühlkammer. Es ging um irgendetwas mit Kirschen und Rackinés Stimmlage wechselte in der Auseinandersetzung, die auf den Schrei folgte, zwischen zuckersüß-weich und hysterisch-weinerlich-schrill hin und her.
„ Präsident Mohikan zeigte sich mit dem Ausgang der gestrigen Verhandlungen sehr zufrieden. Nach der Unterzeichnung …“
„Du gibst das sofort wieder her!“, hörte Lisandra die Molchfrau rufen.
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