Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
alarmiert. Er zeigte in den Himmel.
Hanns schaute hinauf, konnte aber nichts erkennen außer tiefem Nachtblau und funkelnden Sternen.
„Was ist?“
„Da kommt etwas auf uns zu! Und es ist kein Feuerwerkskörper!“
Hanns suchte den Himmel ab. Erfolglos.
„Wir müssen hier weg, so schnell wie möglich!“, rief Haul panisch.
Jetzt sah Hanns es auch: Ein Lichtpunkt zeichnete sich am Himmel ab und er wurde schnell größer.
„Wenn das Ding einschlägt“, rief Haul, „ist hier nur noch ein brennender Krater, sonst nichts!“
„Lauf voraus, Haul! Ich kann fliegen!“
Sie hätten längst unterwegs sein müssen, doch sie blieben, wo sie waren. Denn das Mädchen im langen, weißen Kleid, das eben noch unter ein paar Kratzblumenbüschen hindurchgekrochen war, war wie vom Erdboden verschluckt.
„Verdammt!“, rief Haul. „Wo ist sie denn jetzt? Wir müssen sie da rausholen!“
„ Ich werde sie da rausholen!“, erklärte Hanns. „Du rennst los, sonst ist alles zu spät!“
Ein unheimliches Surren und Brummen erfüllte die Luft. Das Licht am Himmel wurde immer größer. Haul wusste, dass Hanns recht hatte. Er musste rennen. Hanns würde nichts passieren, er trug den heiligen Riesenzahn am Leib, der ihn unverletzbar machte. Hoffentlich.
Haul rannte keinen Moment zu früh los. Er konnte so schnell rennen, dass es für Normalsterbliche so aussah, als würde er einige Zentimeter über dem Boden schweben, was er aber gar nicht tat. Er hielt auf den östlichen Rand des Botanischen Gartens zu und erreichte die Außenmauer, als es im Park schon taghell geworden war. Das Licht blendete und warf harte, schwarze Schatten. Es waren nur noch Sekunden bis zum Einschlag.
Haul machte einen riesigen, übermenschlichen Satz und landete auf der Mauerkrone. Jenseits der Mauer liefen die Sicherheitskräfte hin und her, die den Botanischen Garten vor Eindringlingen hätten schützen sollen. Mit einem solchen Angriff aus der Luft hatte niemand gerechnet. Normale Flugobjekte hätte man orten und rechtzeitig bekämpfen können. Aber dies hier schien ein magikalisches Geschoss zu sein, wie man es schon vor Hunderten von Jahren verboten hatte: eine Drachenbombe, die alles verbrannte, was ihr in die Quere kam.
Haul sprang über die Soldaten hinweg und landete auf dem Dach der berühmten Badeanstalt von Tolois. Er rannte um sein Leben, sprang vom Haupthaus auf das Nebengebäude und von dort auf das langgezogene Dach, das die Heilquellen überspannte. Als die Bombe einschlug, wurde er von der Wucht des Einschlags umgeworfen und über den Rand des Dachs geschleudert. Er konnte sich gerade noch an der Regenrinne festhalten, sonst wäre er abgestürzt. Hier blieb er einige Sekunden lang hängen wie benommen, dann zog er sich wieder nach oben und schaute sich um. Über ihm schien der Himmel in Flammen zu stehen. Gleißendes Licht, wo der der Botanische Garten gewesen war, riesige Bäume, die verglühten, eine violette Aura rund um den Flammenherd, bis das Licht plötzlich in sich zusammenfiel und erlosch.
Haul kroch über das Dach und kletterte an einem Schornstein hoch, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Der Botanische Garten brannte lichterloh, dichter Rauch stieg auf. Ein Donnern lag noch in der Luft. Haul hörte von überall laute Schreie und das Anrücken der Feuerwehr. Soldaten, Sicherheitskommandos und Ambulanz-Züge eilten auf die Mauern und Tore des Botanischen Gartens zu. Sirenen ertönten, die ersten geflügelten Polizei-Pumas tauchten in der Luft auf. Was sie noch retten oder absichern wollten, war Haul ein Rätsel. Jede lebende Person, die sich im Botanischen Garten aufgehalten hatte, musste tot sein.
Zu Hauls grenzenloser Erleichterung zeichneten sich jetzt die Umrisse eines fliegenden Schneeleoparden am Himmel ab. Haul winkte, doch Hanns hatte ihn schon entdeckt. Mit einem kreischenden, rußverschmierten, kleinen Mädchen in den Pranken landete er auf dem Dach der Badeanstalt und verwandelte sich in Hanns zurück. Haul sprang vom Schornstein hinab und nahm das schreiende Mädchen in Empfang, das in seiner Orientierungslosigkeit vom Dach zu purzeln drohte.
„Ich glaube es nicht!“, rief er. „Was war das?“
„Du hast recht gehabt“, sagte Hanns todernst. Der Schock und das Entsetzen waren ihm ins Gesicht geschrieben. „Diese Konferenz war gefährlich!“
„Papaaaaaaa!“, brüllte Trischa. „Papaaaaaaaa! Ich will zu meinem Papa! Sofoooort!“
Haul hielt dem Mädchen den Mund zu. Es war viel zu
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