Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
beeilt euch! Ich will wissen, was passiert ist. Hanns und Haul waren in Tolois!“
Sie hatten es nicht weit bis zur Bibliothek, da sie sich im selben Gebäudeteil befand wie die Gästeschlafzimmer. Der große Raum mit den Arbeitstischen und den langen Regalen voller Bücher war nach der Schlacht im Winter komplett renoviert und neu eingerichtet worden. Es roch immer noch nach frischem Holz und Farbe.
Scarlett überkam jedes Mal ein flaues Gefühl, wenn sie die Bibliothek betrat. Hier hatte sie gegen eine Überzahl von giftigen Wandlern gekämpft und wäre an deren Gift fast gestorben. Der metallische, scharfe Geruch des giftigen Blutes schien immer noch in der Luft zu hängen, obwohl das eigentlich nicht sein konnte. Es war die lebhafte Erinnerung, die Scarlett einen Streich spielte.
Doch auch ohne giftige Dämonen hielt dieser Morgen genügend Schreckensbotschaften für ein flaues Gefühl im Magen bereit. Der Himmel verblasste vor den Fenstern zu einem helleren Blau, doch die Sonne war noch nicht aufgegangen. Hylda, die böse Cruda, thronte ausnahmsweise in ihrer menschlichen Gestalt auf dem Schreibtisch des Bibliothekszwergs, der hier sonst die Aufsicht hatte. Im Moment war er verreist, so wie die meisten Angestellten von Sumpfloch.
Hylda hatte ihre schwarzen Haare hochgesteckt und sah so zerbrechlich und beeindruckend aus wie immer. Ihre porzellanweiße Haut leuchtete im Dämmerlicht, ihre rot geschminkten Lippen und die schwarzen Augen verrieten weder Bestürzung noch Belustigung angesichts der Neuigkeiten aus Tolois. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen und hielt die Hände auf ihrem Knie gefaltet. In ihrer weißen Seidenbluse, den engen Lederhosen und ihren hochhackigen Stiefeln sah sie überaus elegant aus. Bei diesem Anblick schien Ritter Gangwolf zu vergessen, mit wem er es zu tun hatte. Im Vorbeigehen erklärte er scherzend, dass sich das Aussehen der Bibliothekarinnen seit seiner Zeit in Sumpfloch doch sehr zum Besseren gewendet habe.
Die Spur eines Lächelns flog über das erstaunlich junge Gesicht der uralten bösen Cruda. Komplimente dieser Art wusste sie zu schätzen, ebenso wie Männer vom Schlage eines Ritter Gangwolfs. Doch eine Cruda wie sie hatte ihre Ohren überall, daher erwiderte sie nichts, sondern lauschte sehr aufmerksam der Auseinandersetzung zwischen Grohann und Estephaga, die ihre Anwesenheit betraf.
„Ich habe nichts davon gewusst und ich schätze es auch nicht!“, zischte Estephaga.
Bei solchen Gelegenheiten wurde Estephaga Glazards Verwandtschaft zu den Reptilienmenschen deutlich sichtbar, denn ihre Augen traten hervor und ihre Pupillen verengten sich zu senkrechten Schlitzen. Ihre blaue, gespaltene Zunge schoss hervor, als sie Grohann erklärte:
„Ich dulde es nicht, dass diese Person in meiner Schule herumläuft!“
„Es ist ein Glück, dass sie hier herumläuft, denn die Leute, die Präsident Mohikan getötet haben, werden bald hier aufkreuzen und versuchen, uns fortzujagen!“
„Wie schön, dass wir dann ein skrupelloses, niederträchtiges, selbstsüchtiges Monster auf unserer Seite haben!“
„Wenn ein solches Monster die gleichen Interessen hat wie wir, trifft sich das in der Tat gut. Und falls Sie die Regierung über Hyldas Anwesenheit informieren möchten – nur zu! Fragt sich bloß, wem Sie Bescheid sagen möchten, denn Amuylett befindet sich im Ausnahmezustand und alle wichtigen Aufgaben wurden dem Krisenstab übertragen, dem ich zufälligerweise angehöre!“
„Ach ja, und wie denkt der Krisenstab über Hyldas tatkräftige Unterstützung?“
„Er denkt gar nichts darüber, weil er nichts davon weiß, und wenn Sie sich beruhigt haben, werden Sie einsehen, dass wir den Krisenstab mit dieser Kleinigkeit nicht behelligen sollten. Er hat andere Sorgen!“
„Ha!“, rief Estephaga.
Doch sie protestierte nicht weiter, da nun alle, die Grohann zusammengerufen hatte, in der Bibliothek eingetroffen waren. Viego Vandalez saß neben Ritter Gangwolf und schüttelte erstaunt und amüsiert den Kopf, als ihm dieser etwas zuflüsterte. Gerald und Scarlett standen in einer Ecke des Raums und in dem leisen Gespräch, das sie führten, fiel mehrmals der Name ‚Hanns’. Hanns war früher einmal Scarletts bester Freund gewesen und im letzten Jahr, während der Schlacht, hatte er sein Leben riskiert, um sie zu retten. Die Vorstellung, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte, ließ alles Blut aus Scarletts Gesicht weichen. Sie sah sehr mitgenommen aus an diesem
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