Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Bogenschützen ihre Stellung verlassen hatten und ebenfalls auf sie zurannten.
Gerald schoss einen Strahl auf die gläserne Flurlampe über ihnen, die sofort zerplatzte, was die Schützen veranlasste, nach oben zu schauen. Gleichzeitig sandte ihnen Gerald mithilfe der Magikalie aus seinen Instrumenten mehrere Blitze in die Stiefelspitzen, was die Feinde fast umriss, aber eben nur fast. Sie waren durch Schutzschilde gegen solche Angriffe geschützt und brauchten nur wenige Sekunden, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden. Immerhin, diese Zeit reichte Gerald, um das Schloss der Tür, die nach Augsburg führte, mit einem magikalischen Strahl zu zertrümmern, sodass Maria die Tür am Knauf aufziehen konnte. Gerald half ihr dabei und wurde von einem magikalischen Hieb erwischt, der eigentlich Maria gegolten hatte. Er stammte vom Tigermann, der sie zu Sturz bringen wollte, doch er verfehlte Maria um Haaresbreite und warf stattdessen den unsichtbaren Gerald um, der unmittelbar neben Maria nach der Tür gegriffen hatte.
Geistesgegenwärtig machte sich Gerald unangreifbar, während er zu Boden fiel, sodass er nicht hart aufschlug, sondern sich gleich wieder aufrichten konnte. Er sah Marias verstörtes Gesicht, die mitten in der Tür stand und nicht wusste, wo er war. Er konnte nicht sprechen in diesem Zustand, daher machte er nur einen Satz durch die Tür und gelangte auf harte und schmerzhafte Weise in die Wirklichkeit seiner eigenen Welt. Denn er wurde an der Grenze zur Erdenwelt so schlagartig sichtbar und angreifbar, dass es sich anfühlte, als habe ihm jemand ein hartes Brett mitten ins Gesicht geknallt. Entsprechend orientierungslos schwankte er auf den Bahnsteig, packte gleichzeitig Marias Arm und riss sie von der Tür fort.
Kaum hatte Maria begriffen, dass Gerald auf der anderen Seite war, ließ sie die Tür los, die sogleich zufiel. Es geschah sehr schnell, doch für Gerald und Maria vollzog sich der Vorgang wie in Zeitlupe. Sie sahen, wie sich die Tür schloss, Millimeter um Millimeter, und sie verfolgten es ängstlich und hoffnungsvoll zugleich: Würde noch jemand die Tür aufreißen und ihnen folgen? Oder würde die Tür endgültig zufallen und sie aus der Spiegelwelt ausschließen?
Sie fiel zu. Es machte leise „klick“ und die Tür war verschlossen, denn von dieser Seite aus war es keine Metalltür mit einem kaputten Schloss, sondern eine dunkelbraune Tür aus Holz mit einem länglichen Fenster darin, in dem sich Maria und Gerald spiegelten. Auch als die Tür längst zu war, standen sie immer noch erschrocken davor und starrten in das Fenster, atemlos.
Kapitel 11: Welt der Staubsauger
Gerald war der Erste, in dessen Glieder das Leben zurückkehrte. Zwar fühlte er sich immer noch benommen von dem Schlag, den ihm seine eigene Wirklichkeit versetzt hatte, doch er wusste, was er tat, als er die Klinke der Tür herunterdrückte.
Erwartungsgemäß war sie verschlossen, denn die neben der Tür angeschlagenen Öffnungszeiten verrieten, dass noch niemand hier war. Wenn die Tür nicht verschlossen gewesen wäre, so hätte sie in einen kleinen Raum geführt, der nichts, aber auch gar nichts mit Marias Spiegelwelt zu tun hatte. Der Übergang funktionierte nämlich nur, wenn sich die Herrin der Spiegelwelt auf der anderen Seite des schmalen Fensters in ihrer eigenen Welt befand. Und dann auch nur, wenn man fest entschlossen war, in die Spiegelwelt zu gelangen und nicht in den Raum, der sich für gewöhnlich hinter dieser Tür befand.
Jetzt, da Maria auf Gleis 1 des Augsburger Hauptbahnhofes stand, gab es keine Spiegelwelt mehr. Hier, an diesem Ort, gab es auch kein Amuylett, keine Magikalie und keine besonderen Talente. Maria und Gerald waren nur gewöhnliche Menschen in einer gewöhnlichen Welt. Sonst nichts.
Maria kam langsam zu sich und drehte sich um. Für sie war gerade gar nichts gewöhnlich, denn soeben war sie von einem Wunder eingeholt worden, mit dem sie niemals gerechnet hatte: Sie war hier, leibhaftig und wirklich, in der Welt, aus der sie als Zweijährige entführt worden war. Vor dreizehn Jahren! Diese Welt, die ihre eigentliche Heimat war, erschien ihr überaus fremd und seltsam. Nüchtern und unverständlich. Maria konnte die Schrift nicht lesen, die auf den Schildern geschrieben stand, und die Menschen redeten ein Kauderwelsch. Erdensprache – die hatte sie nie gelernt!
„Und jetzt?“, fragte sie und schaute Gerald mit großen Augen an.
Er lachte. Er lachte aus sehr vielen Gründen, aber
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