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Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)

Titel: Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Halo Summer
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vor allem, weil er erleichtert war. Ihnen war nichts zugestoßen und nach allem, was sie über die Spiegelwelt wussten, waren die Feinde jetzt darin eingesperrt. Sie konnten weder nach Sumpfloch fliehen noch Marias Spiegelwelt verlassen. War Maria nicht dort, waren die Türen und die Spiegel undurchdringlich.
    Es hätte schlimmer kommen können. Natürlich konnten er und Maria nicht zurück nach Sumpfloch gehen. Sie waren hier in der Heimatwelt der Erdenkinder eingesperrt und darauf angewiesen, dass jemand in Sumpfloch herausfand, was passiert war. Wenn das geschah, würde Ritter Gangwolf aufbrechen und über eine seiner Türen, die er geschaffen hatte, in diese Welt kommen, um sie zurückzuholen. Erfahrungsgemäß passierte all das nicht an einem Tag. Gerald würde Zeit haben, seine Mutter und seine Schwester zu besuchen. Diese Aussicht machte ihn froh, denn er hatte schon lange das dringende Bedürfnis gehabt, sie zu sehen und sich davon zu überzeugen, dass es ihnen gut ging.
    Es gab aber, wie gesagt, noch mehr Gründe für Gerald, Maria anzulachen. Denn es war so unglaublich komisch, wenn ein Mädchen, das in Amuylett aufgewachsen war, plötzlich auf dem Bahnsteig des Augsburger Hauptbahnhofes stand und sich über all das wunderte, was doch eigentlich ganz normal war. Als Mädchen aus gutem Hause trug Maria eine Bluse mit Spitzeneinsätzen und Puffärmeln, dazu einen leicht ausgestellten Rock mit Borten aus Pflanzen- und Blumenmustern. Für eine kleidsame Taille sorgte ein geschnürter Gürtel, besetzt mit Steinen. Für Erdenverhältnisse sehr ungewöhnlich waren auch die Stiefeletten aus glänzendem, silberfarbenem Stoff. All das stand Maria hervorragend und war nach den Maßstäben von Amuylett geschmackvoll und nicht zu auffällig ausgewählt, sondern einfach nur auf schlichte Weise hübsch.
    Hier in Augsburg jedoch sah Maria aus, als käme sie gerade in einem frühlingsbunten Steampunk-Kostüm von einer Fantasy-Convention und die Pendler, die an diesem Morgen über die Bahnsteige strömten oder dort warteten, schläfrig an ihrem Coffee-to-go nippten oder wie hypnotisiert auf ihrem Smartphone herumtippten, hielten inne, sobald sie Maria sahen und starrten sie fasziniert an. Doch nur kurz, denn kein außergewöhnlicher Eindruck war in dieser Welt von Dauer, und so blieb das Aufsehen, das Maria erregte, ohne weitere Folgen.
    Gerald selbst trug eine Hose, deren Farbton ins Moosgrüne reichte, und die Gürtelschnalle war für Erdenverhältnisse ein wenig zu groß, doch Hemd und Schuhe passten einigermaßen hierher. Es war so, dass Gerald seinen Amuylett-Stil der Heimat anzupassen pflegte. Nicht zuletzt deswegen, weil er schon öfter zu Hause gelandet war, ohne es wirklich geplant zu haben, was daran lag, dass sich sein Vater nie an die verabredeten Zeiten hielt, wenn es darum ging, Gerald bei seiner Mutter abzuliefern.
    Schließlich gab es noch einen dritten Grund, warum Gerald lachte. Zum ersten Mal, seit er versuchte, Marias Haar- und Augenfarbe zu bestimmen, war er erfolgreich: Ihre Augen waren bläulich mit einer grünen Mitte und der geflochtene Haarkranz um ihren Kopf war flachsblond mit dunkelblonden Strähnen. Das war also die wahre Maria, wenn sie niemanden mit Träumen, die auf rätselhafte Weise Gestalt annahmen, hinters Licht führen konnte. Hier, auf diesem Bahnsteig, an dem Maria keine Spiegelprinzessin oder Traumkönigin war, sah Gerald endlich ihr echtes Gesicht. Dieses Gesicht war erstaunlich hübsch. In ihrer derzeitigen Aufmachung hätte sie jederzeit in einem skandinavischen Werbespot für ein Mitsommer-Parfüm mitspielen können.
    Ihr Charakter hatte sich aber nicht verändert. Sie sah Gerald offen an, der Blick eine einzige Frage, doch was hinter ihrer Stirn vor sich ging, wie sie über ihn dachte, was sie eigentlich wollte und wer sie tatsächlich war, das konnte Gerald nicht erkennen.
    „Was wir jetzt machen?“, wiederholte er ihre Frage. „Wir kaufen uns zwei Fahrkarten und fahren zu meiner Mutter.“
    „Mit so was?“
    Sie zeigte auf einen der einfahrenden Züge. Es war ein ICE.
    „Zu teuer. Wir nehmen die langsamere Variante. Hier – ich habe vierzig Euro, damit müssen wir auskommen!“
    Er zog zwei Scheine aus seiner Hose, die er für Notfälle immer dabeihatte. Seit ihn sein Vater einmal in Frankreich ausgesetzt hatte, ohne einen Cent, weil er vergessen hatte, das richtige Geld einzustecken, lief Gerald in Amuylett nie mehr ohne diese Scheine in der Hose herum. In seiner

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