Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
kleineren Krümel zusammen.
„Was genau ist da drüben?“, fragte Gerald und spähte neugierig durch das Loch. „Ist es eine andere Welt?“
„Nein, ist es nicht. Es ist nur ein anderer Teil der Spiegelwelt. Sie geht hinter dem Loch weiter.“
„Wie kannst du da so sicher sein?“
„Es ist meine Welt, ich weiß es einfach! Wenn ich durch die anderen Türen schaue, merke ich, dass auf der anderen Seite die Wirklichkeit beginnt. Etwas Neues, Fremdes, Echtes. Hinter diesem Loch hören das Schloss und das Treppenhaus auf. Aber es beginnt keine andere Wirklichkeit.“
„Warst du dort?“
„Natürlich! Das ist ja das Tolle daran. Komm, wir gehen rüber. Aber nur kurz! Ich muss pünktlich im Trophäensaal sein, damit Grohann keinen Verdacht schöpft.“
Das ließ sich Gerald nicht zweimal sagen. Er kletterte voraus durch das Loch und schaute sich mit klopfendem Herzen auf der anderen Seite um. Dieser Ort hier war ihm merkwürdig vertraut. Vertraut und unbekannt zugleich.
„Es ist Sumpfloch!“, erklärte Maria, als sie hinter ihm durch das Loch geklettert kam. „Aber nicht das Sumpfloch, das wir kennen. Ich nehme an, es ist das Sumpfloch einer anderen Zeit. Keine echte Vergangenheit, denn hier ist niemand. Es ist eine leere Welt und ein Abbild der Vergangenheit, so wie das Schloss ein Abbild des Schlosses der letzten Kaiserin ist. Verstehst du?“
Gerald bemühte sich.
„Du hast mal gesagt, das Schloss in deiner Spiegelwelt sei so etwas wie eine Erinnerung der letzten Kaiserin …“
„Ja, so kommt es mir vor. Erinnerungen von ihr spuken mir oft im Kopf herum.“
„Wessen Erinnerung ist dann dieses alte Sumpfloch, in dem wir hier stehen?“
„Tja, das ist die Frage! Vielleicht ist es Torcks Erinnerung?“
„Torck?“ Allmählich dämmerte Gerald, warum Maria nicht wollte, dass Grohann von diesem Teil der Spiegelwelt erfuhr. „Wie kommst du darauf?“
„Das Wasser in den unterirdischen Kanälen ist blau! Es leuchtet feenblau! Da ist keine Fee, aber so muss das Wasser früher einmal ausgesehen haben. Damals, als sie Torck eingesperrt haben! Also vor sehr, sehr langer Zeit!“
Gerald war über alle Maßen erstaunt. Mit Maria ging er den Gang entlang, in dem sie sich befanden. Der Gang war den heutigen Gängen von Sumpfloch durchaus ähnlich, nur waren die Mauern gedrungener und unverputzt. Die Decken kamen ihm niedriger vor und der Boden … nun ja … gekehrt hatte hier schon lange niemand mehr. Erde, Federn, Staub, geborstener Stein und sogar die Überreste von Fledermausknochen häuften sich in den Ecken.
Es war finsterer als heute, denn der Wald reichte bis an die Fenster heran. Trotz der Schatten, die die dichten, hohen Bäume auf die Festung warfen, schien irgendwo die Sonne. Goldene Tropfen von Licht sickerten durch die mächtigen Zweige und ein zauberhafter, grüner Schimmer umgab die Blätter, als sei der Wald von einer eigenen Magie belebt und erfüllt. Ein Widerschein des grünen Lichts fiel in den Gang und flackerte über die Wände.
„Du sagtest, dieser Teil deiner Welt sei leer?“, fragte Gerald. „Dir ist nie jemand begegnet?“
„Fast niemand.“
Gerald riss sich vom Anblick der zauberhaften, wilden Bäume los und sah Maria prüfend an.
„Fast niemand?“
„Er ist hier irgendwo“, sagte Maria vorsichtig. „Ich habe ihn noch nicht getroffen. Vielleicht kann man ihn auch nicht treffen, aber seine Anwesenheit spüre ich deutlich.“
„Torcks Anwesenheit?“, fragte Gerald.
Maria nickte. Damit war auch klar, weswegen Maria niemandem von ihrer Entdeckung erzählt hatte.
„Er ist ungefährlich!“, versicherte sie schnell. „Zumindest hier in der Spiegelwelt! Es ist ja nicht der echte Torck. Nichts ist echt hier! Dieses alte Sumpfloch ist eine Erinnerung oder ein Traum oder was auch immer. Jedenfalls fühle ich ganz deutlich, dass keine Bedrohung von ihm ausgeht. Ich muss das unbedingt noch besser erforschen, aber dazu brauche ich Ruhe und meine Freiheit! Ich kann keinen Grohann gebrauchen, der mir ständig Vorschriften macht oder mir sogar verbietet, hierherzukommen. Er darf auf keinen Fall davon erfahren! Wenn ich mir vorstelle, dass er mich davon abhalten könnte, in diesen Teil meiner Spiegelwelt zu gehen, werde ich wütend. Auf eine Weise wütend, wie ich sie von mir gar nicht kenne. Vielleicht, weil ich Angst habe, dass er mir mein Leben wegnimmt, Stück für Stück. Aus Sicherheitsgründen!“
Gerald konnte Marias Besorgnis verstehen. Sie alle waren Grohann
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