Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Sie wusste, dass sie bei Rackiné in hohem Ansehen stand, aber wenn eine Fee nicht mehr war als das, was sie darstellte, dann waren Feen nichts Besonderes. Es sei denn, sie kämmten sich Sternenstaub in die Haare, der von Grohann verändert worden war. Das reichte aus, um Lars in der Krankenstation dazu zu bringen, seine Hand auf die ihre zu legen. Als Thuna daran dachte, flackerte ihr Haar grün verzaubert in der Dämmerung auf, und ihr Herz machte einen kleinen, frohen Sprung.
„Phönixbaum, Gewächshäuser oder Seerosenteich?“, fragte Scarlett, die voranging.
Sie antworteten alle etwas Unterschiedliches und zur gleichen Zeit tauchten die Ghule auf. Nicht einer, nicht zwei, sondern mindestens fünf! Thuna schnappte sich die Pfeife, die ihr um den Hals hing und blies mit aller Kraft hinein. Das Geräusch, das die Ghule irritieren sollte, brachte die dunklen Umrisse nur dazu, leicht zu erzittern. Sie zogen den Kreis um die Mädchen (und den Hasen) enger und bevor Grohann oder Hylda die Gelegenheit bekamen einzugreifen, machte einer der Ghule einen Sprung mitten in die Gruppe von Mädchen hinein.
Panisch liefen sie in alle Richtungen auseinander, da niemand von einem Ghul berührt werden wollte. Grohann hatte ihnen am Nachmittag eindrücklich geschildert, was passierte, wenn man als Mensch in einen Ghul-Schatten geriet – und seine Ausführungen übertrafen das, was Thuna Lisandra erzählt hatte, um ein Vielfaches an Scheußlichkeit.
So flohen sie also in alle Richtungen und da durchzuckte auch schon der erste magikalische Blitz die Finsternis. Lisandra traf er überraschend, sodass sie ihre Augen nicht schützen konnte, was zur Folge hatte, dass sie im ersten Moment sehr, sehr viel sah und im zweiten gar nichts mehr. Was sie aber gesehen hatte, veranlasste sie, in die Dunkelheit des Gartens zu rennen, hinter einem Ghul her, in dem soeben Rackiné verschwunden war.
Blind rannte sie ins Dickicht eines Jammerbuchen-Wäldchens, einzig von ihrem Gefühl geleitet. Sie spürte, in welche Richtung sich das Unheil bewegte, und schlug Äste und Ängste aus ihrem Weg, um ihm auf den Fersen zu bleiben. Der Ghul wollte zurück in die Festung, vermutlich zu einem Spiegel, aus dem er gekommen war. Er würde quer durch die dicken Festungsmauern laufen, doch das konnte Lisandra auch!
Bis zu den Festungsmauern kam er aber gar nicht. Scarlett, die hinter Lisandra lief, schoss einen riesigen Feuerball in Richtung des Ghuls, was den Schatten dazu veranlasste, langsamer zu werden, doch leider auch zu wachsen! Scarletts Feuerball sog er auf, als versorge ihn dieser mit Nahrung, und danach wurde er breiter und größer und falls das möglich war – noch unheilvoller.
„Verdammt!“, schrie Scarlett.
Lisandra überlegte nicht lange. Rackiné steckte in dem Ghul und es gab nur einen Weg, ihn da herauszuholen. In dem Wissen, dass sie nicht sterben konnte, drang Lisandra in den Ghul-Schatten ein und gelangte in einen stillen, schwarzen Raum, der einer nächtlichen, atmenden Höhle glich. Im ersten Moment fühlte es sich so an, als ob sie von einem kalten Feuer von Kopf bis Fuß verbrannt würde. Im zweiten Moment war es ihr, als ob jemand versuchte, sie am ganzen Leib mit Pfeilen zu durchdringen. Im dritten Moment fand sie Rackiné und zu ihrem übergroßen Schrecken war er kein Hasenjunge mehr. Er lag wie hingeschleudert in einer dunklen Ecke auf dem Boden – oder wie man den Untergrund in einem Ghul so nennt – und war viel kleiner als sonst. Seine Stoffarme und -beine hatte er in alle Richtungen von sich gestreckt. Er sah aus wie tot. Wie ein lebloses Stofftier.
Lisandra packte ihn, drückte ihn an sich und stürzte, von einer plötzlichen Erschütterung getroffen, zu Boden. Die Dunkelheit des Ghuls kreischte in ihren Ohren und irgendwo außerhalb flammten Lichter auf, die den Ghul dazu zwangen, sich zu verdichten. Er schrumpfte und der Druck, den er dabei auf Lisandra ausübte, war gewaltig.
Sie rappelte sich auf und kämpfte sich voran, dahin, wo es hell war, bis sie plötzlich eine Grenze überschritt und regelrecht ins Freie geschleudert wurde, mit dem Stoffhasen im Arm. Sie schnappte heftig nach Luft und wurde fast ohnmächtig vor Anstrengung. Dabei nahm sie wahr, wie Grohann den Ghul in ihrem Rücken gewaltsam schrumpfte und festsetzte. Sie sah Blitze in der Ferne, wo Hylda und vielleicht auch Hanns oder Viego Vandalez das Gleiche mit anderen Ghulen machten, und sie hörte einen entsetzten Schrei von Thuna, da
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