Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
ihrem eigenen Lichtblitz, als der Ghul den nächsten Angriff startete. Sie ließ sich zu Boden fallen, rollte unter ihm hindurch und sandte ihm den nächsten Blitz, doch diesmal schirmte sie ihre Augen rechtzeitig mit dem anderen Arm ab.
Wenn das so weiterging, hatte sie ihr Pulver in zehn Sekunden komplett verschossen und der Ghul würde sie verfrühstücken. Zu dumm, dass sie vergessen hatte, Thuna zu fragen, ob Ghule fliegen konnten. Dieser Punkt war für ihre Fluchtstrategie wesentlich. Andererseits – puh, der dritte Blitz und sie schoss auch noch daneben, weil der Ghul unerwartet zu Boden ging – konnte es für Lisandra nur eine Fluchtstrategie geben, nämlich schnell ein Vogel werden und davonflattern, ob der Ghul nun nachsetzte und sie schluckte oder nicht.
Lisandra hatte versucht, den Ghul in Richtung der nächsten Lichtung zu locken, doch sie war noch keine drei Meter weit gekommen. Der Ghul war schneller als der heftigste Windstoß und Lisandra konnte ihn nur aufhalten, indem sie ihn mit Blitzen traf. Gerade verschoss sie einen vierten, von dem sie gar nicht geglaubt hatte, dass sie noch genug Kraft für ihn hätte. So ging es nicht weiter.
Über den fünften Blitz hätte sie gelacht, wenn es nicht so traurig gewesen wäre, denn er glich einem schüchternen Irrlicht mit Schluckauf, das sich verpupste, kaum dass es die Messerspitze verlassen hatte. Lisandra war im Eimer oder wäre es gewesen, wenn sie nicht kurzentschlossen ins Erdreich abgetaucht wäre. Diese Notmaßnahme war alles andere als angenehm. Als eine, die Wände und Türen durchqueren konnte, war es Lisandra möglich, in Türen und Wänden auszuharren – und in diesem Fall eben in der Erde. Aber sie vermochte es nicht länger als man normalerweise die Luft anhalten kann und es fühlte sich ungefähr so an, wie wenn ein Elefant einem auf die Brust tritt, um anschließend darauf eine einbeinige Pirouette zu drehen.
Immerhin, der Ghul war verwundert, da sein Opfer so plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war (was ja auch den Tatsachen entsprach), und er machte den Fehler, sich nach allen Seiten suchend umzugucken. Lisandra krabbelte im Erdreich von ihm weg, bis ihr die Luft vollends ausging, und kam wieder an die Oberfläche, als er ihr den Rücken zudrehte (sie vermutete, dass es der Rücken war). Dies war der Moment, in dem sich Lisandra in einen Vogel hätte verwandeln müssen, trotz all der schlechten Erfahrungen, die sie mit dieser Erscheinungsform schon gemacht hatte – bloß … sie war zu erschöpft. Sie konnte gar nichts mehr, ihre Knie zitterten, die Beine drohten nachzugeben, alle Gliedmaßen fühlten sich an wie Gummi.
Zum Glück drang nun die Stimme von Grohann an Lisandras Ohren. Er brüllte etwas wie „Augen zu!“ und so beschirmte Lisandra ergeben ihr Gesicht und hoffte inständig, dass Grohann den Ghul daran hindern würde, sie auszusaugen.
Was nun folgte, war ein Flimmern und Flirren wie bei einem fernen Wetterleuchten, nur dass es in Lisandras Augen drang, obwohl sie diese geschlossen hatte und zwei Arme gegen ihr Gesicht drückte. Es flimmerte und flackerte und ab und zu hörte man ein Knirschen, Knistern und Zischen. Irgendwann wurde das Flackern schwächer und erlosch. Lisandra verharrte in ihrem Zustand und wagte es nicht, sich zu rühren, bis sie Thunas Stimme neben sich hörte.
„Alles klar, Lissi, es ist vorbei!“
Lisandra nahm die Arme vom Gesicht und blickte neugierig um sich. Sie musste eine Weile suchen, bis sie den Ghul entdeckte. Er war zusammengeschrumpft auf etwas konzentriert Schwarzes in der Größe … na ja … einer Ratte vielleicht. Aber mit dem schwarzen Ding war nicht zu spaßen. Es wirkte so dicht und gefährlich wie ein Loch im Universum, das alles aufzufressen droht, was in seinen Sog gerät. Grohann und Hylda fixierten es mit ihren Blicken, sorgsam auf Abstand bedacht, und ein Kraftfeld, dessen Vibrationen Lisandra spürte, wenn sie sich darauf konzentrierte, hinderte das tiefschwarze Ding daran, sich vom Fleck zu bewegen. Dieser Fleck sah übrigens stark versengt aus, ebenso wie die Blätter der umstehenden Bäume.
Das schwarze Ding hatte keine Form mehr, nichts daran erinnerte an einen Ghul, bis auf das ungute Gefühl, das es beim Betrachter hervorrief. Es war ein Gefühl, als lauere dort unten das persönliche letzte Stündlein auf einen. Lisandra konnte trotzdem nicht aufhören, es anzustarren. Es war grässlich faszinierend.
In diesem Moment kam Lars angelaufen und Hylda, auf
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