Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Kraft!“
„Wenn du die Kraft hast, andere zu verwandeln – und das fällt dir ja nicht schwer – dann müsstest du es mit dir selbst auch können. Vielleicht hast du Angst davor und weißt es nicht? Angst, dass du dich nicht mehr zurückverwandeln kannst, so wie Lissi, wenn sie ein Vogel wird.“
„Nein! Ich habe keine Angst! Ich habe nur Angst davor, dass ich es niemals schaffen werde, mich zu verwandeln!“
„Ja, das wäre allerdings schlimm“, sagte Gerald und ließ ihr Haar los, um mit einem Finger ihr Kinn anzuheben und sie sehr ernst anzusehen. „Ich denke, wenn du weiterhin so erfolglos bleibst, müssen wir uns trennen. So leid es mir tut. Aber ich könnte es nicht ertragen, mit einer solchen Versagerin zusammen zu sein!“
„Du Idiot!“, rief Scarlett und trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust, während er sich vor Lachen ausschüttete. „Und ich dachte, du sagst irgendwas Sinnvolles!“
„Mach ich doch“, erklärte er und versuchte dabei, ihre Fäuste zu fangen und festzuhalten. „Ich mache dir Druck, damit du dich zur Abwechslung mal ein bisschen anstrengst.“
Er lachte und kämpfte gegen ihre Fäuste und sie lachte mit. Es war alles halb so schlimm. Nachdem sie sich genug zum Spaß gestritten und wieder versöhnt hatten, beeilten sie sich, ihre Freunde einzuholen.
Kapitel 16: Silberregen
Kein Lüftchen regte sich und die Hitze lag schwer und drückend über Sumpfloch. Zwei Tage später brach ein heftiges Gewitter los, dessen Donnerschläge die Festung noch stärker erzittern ließen, als es Torck im tiefen Kerker tat, wenn er sich regte. Das Gewitter tobte eine Nacht lang und der darauffolgende Tag war so verregnet, dass die Sümpfe überliefen. Vorhänge aus Wasser ließen alles, was jenseits der Fenster existierte, bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen, und innen, im alten Gemäuer, sammelte sich die Dunkelheit.
Die Mädchen mussten eine magikalische Lampe auf den Tisch stellen, als sie im Hungersaal frühstückten, sonst hätten sie die Morgenbrühe nicht vom Tee unterscheiden können und womöglich nach einem Stück Brot gegriffen, das innerhalb der letzten fünf Minuten verschimmelt war. Es war nämlich so, dass das Wetter die Milch sauer machte und mit Vorliebe Essbares in Ungenießbares verwandelte, indem es Kuchen, Pasteten und eben Brot mit einem blaugrünen Pelz überzog. Es genügte, wenn man sich nur kurz umdrehte, und schon war es passiert – das behauptete jedenfalls Maria, die beim Anblick von Schimmel stets einen Würgereiz bekam.
„Du übertreibst maßlos!“, sagte Scarlett. „Der Schimmel wuchert langsamer. Du hast ein Marmeladenbrot in der Hand, bist abgelenkt, trinkst einen Schluck Tee, redest und dann beißt du wieder hinein. Und da ist ein winziger grüner Fleck mitten in der Marmelade und du merkst es gar nicht und schluckst ihn arglos mit hinunter!“
Maria starrte Scarlett an und ließ das Marmeladenbrot sinken, an dem sie eben noch freudlos herumgeknabbert hatte.
„Schäm dich, du verdirbst unserer Prinzessin den Appetit“, sagte Berry gut gelaunt. „Zur Strafe musst du dich in ein Stück Schimmel verwandeln, bösartige Cruda!“
„Wenn ich das bloß könnte“, sagte Scarlett. „Ich würde mich in die schlimmstmögliche Substanz verwandeln, wenn ich damit den Fluch von mir lösen könnte, aber selbst dieser löbliche Vorsatz hilft mir nicht weiter. Komm, Maria, iss dieses Stück Kuchen! Es ist ganz frisch, es wird nicht so schnell schimmeln.“
„Aber es hat einen grünen Glibber-Belag!“
„Das ist Stachelbeer-Gelee“, sagte Thuna. „Harmlos. Schmeckt sogar!“
Zweifelnd nahm Maria das Stück Versöhnungskuchen, das Scarlett ihr reichte, und roch daran.
„Könnte gehen“, sagte sie.
„Du musst dir endlich mal eine Augen-zu-und-durch-Taktik angewöhnen, Maria“, sagte Lisandra. „Nicht so viel nachdenken, einfach reinbeißen, kauen, schlucken, reinbeißen, kauen, schlucken …“
Wenig inspiriert von diesem Vorschlag biss Maria sehr vorsichtig in den Kuchen, kaute misstrauisch und – entspannte sich.
„Oh gut, den kann man essen!“
„Wunderbar“, meinte Lisandra, „dann können wir ja endlich wieder über interessante Dinge sprechen. Wie hat er Grohann genannt?“
Wohlerzogen, wie Maria war, antwortete sie nicht mit vollem Mund, sondern wartete mit ihrer Auskunft, bis sie den Bissen hinuntergeschluckt hatte.
„Vernageltes, tyrannisches Urviech!“
„Wirklich?“, rief Berry. „Das traut sich sonst niemand!
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