Feuersang und Schattentraum (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
und durch die Fenster dem Regen beim Regnen zusehen. Der Himmel wurde im Laufe des Morgens etwas heller und so wehten die Regeböen wie silberne Schleier gegen das Fensterglas, um dort in tausend Perlen zu zerschellen.
Lisandra nutzte die Gelegenheit, um Haul ein bisschen auszufragen. So wollte sie zum Beispiel wissen, ob Eyl im letzten Frühjahr nach Fortinbrack gelangt war oder nicht. Eyl, das war die nette Maküle gewesen, die man mit Gefühlsfunktionen versehen hatte und die leider die Schlacht um Sumpfloch nicht lebendig überstanden hatte. Ihre von den Wandlern zerfetzten Überreste waren verschwunden.
„Hat Hanns sie wieder aufwecken können? Hat er sie zusammengebastelt und beschworen?“
„Was fragst du mich das?“
„Wen soll ich denn sonst fragen?“
„Hanns!“
„Komm schon, du weißt es doch! Mir kannst du’s doch erzählen. Dass er den Riesenzahn geklaut hat, liegt auf der Hand, so wie er sich mit Berry rumgestritten hat. Also hat er auch die zerfetzte Maküle mitgenommen. Ich wäre doch gar nicht sauer deswegen! Wir alle wären froh, wenn er Eyl zu einer Gespenster-Maküle wiederbelebt hätte!“
„Meine Lippen sind versiegelt“, sagte Haul.
„Was beweist, dass sie in Fortinbrack ist.“
„Sei dir da mal nicht so sicher.“
„Was soll die Geheimniskrämerei? Ich bin kein Feind von Fortinbrack.“
„Aber wenn du jemandem versprochen hättest, nichts zu sagen, würdest du dich daran halten, oder?“
Lisandra sah ihn prüfend an. Aber das war nicht gut, denn es lenkte sie ab. Seine flammenförmigen Pupillen flackerten lebhaft – immer ein Zeichen dafür, dass Haul guter Dinge war. Und was die silbrigen Augen betraf, so waren sie dazu gemacht, Lisandra zu entwaffnen, denn sie waren gefährlich schön.
„Na gut. Für heute lasse ich dich damit in Ruhe.“
„Gewonnen.“
„Nein, hast du nicht! Ich stelle mich nur auf eine lange Belagerung ein. Ich werde dich aushungern.“
„Womit denn?“
„Auch ich kenne Geheimnisse!“
Sie kam so nah an sein Gesicht heran, dass sich ihre Nasenspitzen berührten.
„Davon darf ich dir aber leider nichts erzählen. Ich hab’s Grohann versprochen!“
„Als ob er …“
„Keine Widerrede“, sagte sie und legte ihm den Finger auf die Lippen. „Ich lüge nicht!“
Es war ein feiner Moment und zwar die Sorte Moment, auf die die beste Sorte Küsse folgte, doch Hanns machte alles zunichte. Er kam ins Zimmer gelaufen und verkündete:
„Es gibt Neuigkeiten!“
Er stotterte überhaupt nicht, wenn er sich unter Menschen aufhielt, mit denen er vertraut war. Lisandra war eigentlich stolz darauf, dass sie zu diesen Menschen gehörte, aber gerade hätte sie ihn am liebsten aus dem Zimmer geschubst.
„Und zwar?“, fragte sie.
„Dorn ist ein Gefangener entkommen. Niemand weiß, wer ihm zur Flucht verholfen hat, vielleicht der Geheimdienst von Amuylett oder eine andere Macht. Wenn meine Informationen stimmen, hat Dorn von zwei Gefangenen die Zeichen von Tann erhalten. Der dritte hielt sich tapfer und hat geschwiegen, trotz all der Dinge, die Dorn ihm zugefügt oder angedroht hat. Bis ihm die Flucht gelungen ist.“
Haul richtete sich auf.
„Das heißt, Dorn konnte die Zeichen von Tann nicht entschlüsseln?“
„Ja. Und jetzt ist er wie ein Wahnsinniger hinter dem Gefangenen her!“
„Weiß man, wohin er geflohen ist?“, fragte Lisandra.
„Nein. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.“
„Das ist doch eine gute Nachricht!“, sagte sie. „Grohann wird sich freuen.“
„Es würde ihn sicher freuen, wenn ich nicht noch etwas anderes herausgefunden hätte.“
„Nämlich?“
„In Gorginster gibt es ein magikalisches Leck. Das dürfte der Grund dafür sein, warum Dorn so eilig Tatsachen schaffen will.“
„Ist das sicher?“, fragte Haul. „Das wäre ja furchtbar!“
„Es haben mir drei verschiedene Leute bestätigt. Die Magikalie ist im Leck komplett außer Kraft gesetzt und das Leck wird größer. Es bedeckt schon eine Fläche in der Größe von Tolois.“
Lisandra schaute von Hanns zu Haul und von Haul zu Hanns. So besorgt, wie die beiden aussahen, musste ein magikalisches Leck etwas wirklich Schlimmes sein. Wahrscheinlich war es der Anfang von Amuyletts Ende.
Scarlett war es nur recht, dass Lisandra einen anderen Weg einschlug als sie. So würde ihr niemand unangenehme Fragen stellen oder sie von ihrem Vorhaben abbringen wollen. Im Erdgeschoss angekommen, sah sich Scarlett nach allen Seiten um. Die schwarze Katze
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