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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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einer guten Abstammung bestimmte Verhaltens regeln gehörten. Die Duplessys änderten ihren Lebensstil nie. Nicht einmal, als das Geld so knapp wurde, dass die Dienstboten als Einzige im Haus noch etwas Anständiges zu essen erhielten.«
    »Deine Eltern kamen nicht einmal auf die Idee, das Personal zu entlassen, um sich selber ein paar Steaks leisten zu können?«, fragte Ben und dachte an die kühle Pracht in Evelyns Apartment in Manhattan. Selbst mit fast fünfzig hatte diese Frau die Zwänge ihrer Erziehung noch nicht abgestreift.
    »Natürlich nicht.« Claires Stimme drückte dieselbe Mischung aus Verwirrung und kläglicher Bewunderung aus, die er empfand. »Sie wusste, wenn sie Andrew Campbell heiratete, würde sich alles zum Besseren wenden. Ihre Eltern würden sich nach Cape Cod zurückziehen, und sie hätte endlich die Mittel, sich jene Eleganz zu leisten, für die ihr Vater und ihre Mutter sich jeden Cent vom Mund hatten absparen müssen.
    Wie hätte meine Mutter angesichts dieses familiären Hintergrunds und dem, was auf dem Spiel stand, auf eine Ehe mit Andrew Campbell zugunsten der Liebe und der unerlaubten Leidenschaft eines jungen Mannes verzichten sollen, dessen ganzes Leben aus flüchtigen Fantastereien und Unverbindlichkeiten bestand?«
    »Ja, das wäre sehr schwierig gewesen«, sagte Ben. »Mich beeindruckt, wie gut du dich in die Lage deiner Mutter versetzen kannst. Ich hätte eher erwartet, dass du Evelyn verurteilen würdest, weil sie derart unaufrichtig gegenüber ihren eigenen Gefühlen war.«
    Claire verzog das Gesicht. »Du hörst das Ergebnis von beinahe hundert Sitzungen bei einem teuren Therapeuten. Ich war nicht immer so gnädig.«
    »Ein dreifaches Hoch auf die Therapie?«, schlug Ben vor.
    Sie lachte leise. »Wahrscheinlich.«
    Wenn Claire so lachte, kamen Ben ständig Begriffe wie »dauerhafte Beziehung«, »ernsthafte Bindung«, und »Verpflichtung«, in den Sinn – Wörter, die er die letzten zehn Jahre im Zusammenhang mit einer Frau erfolgreich gemieden hatte. Er schluckte, um das aufsteigende Gefühl in seinem Bauch zu vertreiben, und sprach absichtlich kühl weiter. »Also gut. Wir wissen jetzt, dass Douglas leidenschaftlich in deine Mutter verliebt war und dass Evelyn sich weigerte, ihre Verlobung zu lösen und die Hochzeit abzusagen. Das beweist aber noch nicht, dass es zu einer unerlaubten sexuellen Beziehung zwischen den beiden gekommen ist. Wie hat deine Großmutter deine Ankunft auf dieser Welt erklärt?«
    »Sie sagte, Evelyn und Andrew hätten bald gemerkt, dass gute Freundschaft keine ideale Grundlage für eine Ehe war.
    Die beiden hatten eine jener altmodischen Hochzeitsreisen nach Europa unternommen. Sie waren mehrere Wochen in Paris, fuhren anschließend nach Südfrankreich und machten einen Abstecher nach Rom und Florenz, bevor sie nach Hause zurückkehrten. Ich nehme an, dass die Flitterwochen in sexueller Hinsicht eine ziemliche Katastrophe waren. Großmutter erzählte nur, dass Andrew sich wenige Tage nach seiner Rückkehr freiwillig zur Kriegsmarine gemeldet hätte und zwei Monate später zu den Philippinen ausgelaufen wäre. Wie es bei ihm weiterging, weißt du ja.«
    Ben stieß einen leisen Pfiff zwischen den Zähnen aus. »Meine Güte! Soll das heißen, deine Großmutter wusste von der homosexuellen Beziehung ihres Sohnes mit Jordan Edgar? War sie es, die dir von dieser Affäre erzählte?«
    »Ich habe keine Ahnung, ob Großmutter von Andrew und Jordan Edgar wusste«, antwortete Claire mit rauer Stimme. »Vielleicht hat sie etwas geahnt. Aber sie hat mir nicht den geringsten Hinweis auf Andrews sexuelle Vorlieben gegeben. Sie erzählte, meine Mutter hätte sich unsterblich in Douglas verliebt, und ließ durchblicken, dass die beiden praktisch unmittelbar nach Andrews Abreise ein Liebespaar geworden wären. Sie hätten ihn um die Scheidung bitten wollen, sobald er vom aktiven Dienst zurückgekehrt war. Aus verständlichen Gründen hätten sie ihm nicht schreiben wollen, solange er sein Leben für sein Land aufs Spiel setzte.« Claire sprach immer stockender, denn die Gefühle übermannten sie beinahe.
    »Und weshalb hat Evelyn ihren Mann dann doch nicht um die Scheidung gebeten?«, fragte Ben, dem das Ganze weiterhin unverständlich war. »Oder hat sie es getan, und Andrew hat sich geweigert? Ich finde, unter den gegebenen Umständen wäre eine Scheidung die beste Lösung gewesen.«
    »Sie hätte es sein können«, sagte Claire freudlos. »Doch gerade als

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