Feuerscherben
ehrenwerter netter Mann ist und sich nachts in einen wahnwitzigen Verbrecher verwandelt?«
»Keine Ahnung, was du glauben sollst«, antworte Claire, und ihre Stimme klang heiser vor Müdigkeit. »Manchmal weiß ich ja selber nicht, was ich glaube. Alles, was du heute Abend gesagt hast, alle Ausreden, die du für Andrew gefunden hast, sind mir selber schon durch den Kopf gegangen. Ich habe sechs Monate in der psychiatrischen Abteilung eines Hospitals verbracht, um endlich so weit zu kommen, dass ich an das Feuer in Vermont denken konnte, ohne gleich hysterisch zu werden. Ich war sogar schon einmal bereit, zuzugeben, dass ich mich wegen Andrew geirrt haben könnte. Was hatte ich schließlich in jener Nacht gesehen? Ich sah Andrews Jeep und einen Fahrer, der aussah wie Andrew.« Sie lachte bitter. »He, sagte ich mir, vielleicht war die Ente am Ende doch ein Schwan. Dann starb Dianna Mason, und der Schwan verwandelte sich für mich wieder in eine Ente.«
Ben begann innerlich zu frösteln. »Der Brand in Florida … «, begann er, brachte es aber nicht fertig, seine Zweifel in Worte zu fassen.
»Der gab mir den Rest«, gestand Claire. »Ich hoffte, Andrew würde mich nicht erkennen, als ich mit einem eindeutigen Halunken wie Hal Doherty im Schlepp bei ihm auftauchte. Der Rauch hatte meine Stimme rau werden lassen, und äußerlich hatte sich auch einiges verändert. Ich dachte, er würde mich für eine weitere Betrügerin halten, die hinter dem Vermögen der Campbells her war.«
Ben lächelte kläglich. »Du warst zu fünfzig Prozent erfolgreich«, sagte er. »Ich war davon überzeugt.«
»Leider warst du der Falsche.« Mühsam erwiderte sie sein Lächeln. »Ich hatte mich bei den Campbells eingeschlichen, um die Lage zu sondieren und einen rabenschwarzen Punkt in Andrews Leben zu finden. Vielleicht sogar einen Beweis für seine schändlichen Taten, bevor er so nervös wurde, dass er einen weiteren Anschlag auf mein Leben wagte.« Sie lachte unbarmherzig. »Nun, in diesem Punkt hatte ich mich geirrt. Erinnerst du dich, dass Andrew entgegen seiner sonstigen Vorsicht sofort behauptete, er hatte mich wiedererkannt? Er sei absolut sicher, dass ich Claire Campbell bin? Nun, das war seine Art, mich zu warnen. Als ich den Wink nicht beachtete, zündete er das Gästehaus an, um sicher zu sein, dass ich verstand.«
Ben schimpfte leise vor sich hin. Das brachte die Unterhaltung zwar nicht weiter, war aber immer noch besser, als einfach dazustehen und die eigene Hilflosigkeit zuzugeben. Sollten sie zur Polizei gehen? Nein, sie würden wie die letzten Idioten aussehen. Ted Jenkins war wegen des Brandanschlags in Vermont verurteilt worden, Dianna Mason war laut Polizeiprotokoll bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und der Brandmeister in Florida hatte eher Schneewittchen verdächtigt, als Andrew Campbell der Brandstiftung zu bezichtigen.
Wieder schien Claire zu raten, was in ihm vorging. »Es ist frustrierend, nicht wahr?«, sagte sie. »Verstehst du langsam, weshalb ich Steve Sterne die Unterlagen zugeschickt habe?«
Ben verstand es nur allzu gut. Er sah Claire an, und sein Herz setzte einen Schlag aus. Claire war groß und kräftig. Aber heute Abend wirkte sie so erschöpft, so verletzlich und zerbrechlich, dass er das überwältigende Bedürfnis verspürte, sie zu beschützen. Liebevoll sah er ihr in die Augen.
»Es war ein furchtbar langer Tag«, sagte er. »Und es hat den Anschein, als könnte es eine noch längere Nacht werden. Ich bin restlos fertig. Meinst du, wir könnten ins Bett gehen?«
Erst als Claire errötete, merkte er, wie sie seine Frage verstanden hatte. Zum Teufel, dachte er. Sie hat ja Recht. Er wollte wirklich mit Claire schlafen. Im Moment konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als neben ihr auf das Bett zu sinken und sich im Zauber ihrer Liebe zu verlieren.
Claire betrachtete ihn argwöhnisch. »Glaubst du, dass ich verrückt bin, Ben?«
Er wollte schon lachen. Dann wurde ihm klar, dass er einer Frau, die sechs Monate in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung verbracht hatte, nicht mit einem Scherz antworten durfte. Zärtlich legte er die Hände auf ihre Schultern. »Nein«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass du verrückt bist. Ich halte dich für eine sehr kluge Frau, die sehr tief fühlen kann. Außerdem finde ich dich unglaublich sexy.«
»Danke.«
Er räusperte sich leise. »Nicht, dass ich ein Feigling wäre oder es mir an männlichem Selbstbewusstsein fehlte. Trotzdem
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