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Feuerscherben

Feuerscherben

Titel: Feuerscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jasmine Cresswell
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Musterknabe, oder er verstand es hervorragend, seine Spuren zu vertuschen.
    Dianna wusste, welche Möglichkeit ihr lieber gewesen wäre. Aber es gab keine Beweise für eine außereheliche Beziehung. Sonyas Andeutung am Telefon, dass Sharon Kruger sowohl Andrews Köchin als auch seine Geliebte sein könnte, war der erste winzige Fingerzeig. Sie nahm sich vor, morgen früh als erstes die Küche aufzusuchen und sich mit Sharon Kruger zu unterhalten. Nachdem alle anderen Verdachtsmomente wie Seifenblasen in der Luft zerplatzt waren, durfte sie diese Spur auf keinen Fall vernachlässigen.
    Dianna gähnte heftig. Körperlich war sie erschöpft, doch ihr Verstand war immer noch hellwach. Sie stand auf, reckte sich und legte Evelyns Akte in den Koffer zurück. Während sie den Ordner zwischen die Wäsche schob, stieß sie mit den Fingern an ein ledernes Schmuckkästchen, in dem sich das Medaillon ihrer Großmutter befand.
    Langsam, beinahe zögernd, holte sie das Kästchen hervor und hielt es lange in der Hand. Endlich konnte sie nicht mehr widerstehen und schob den Verschluss zurück. Der Deckel klappte auf, und sie nahm das schwere, reich verzierte Schmuckstück heraus.
    Es glänzte warm im Schein der Lampe. Dianna strich mit dem Finger über das glatte, handgearbeitete Muster und bewunderte die Kunstfertigkeit des Meisters. Das Medaillon war über hundert Jahre alt und viel zu groß und schwer für den heutigen Geschmack. Mit typisch viktorianischem Überschwang hatte der Künstler jeden Millimeter der Oberfläche mit Blättern, Blüten, Weinreben und abstrakten Schnörkeln verziert. Im Gegensatz zu Diannas reinem zurückhaltendem Glasdesign wirkte das Medaillon ziemlich überladen. Trotzdem liebte sie die kreative Hingabe des unbekannten viktorianischen Juweliers. Bis sie sich bereit erklärt hatte, bei Hals Täuschungsmanöver mitzumachen, hatte sie das Medaillon täglich getragen. Das vertraute Gewicht an ihrem Hals fehlte ihr jetzt.
    Mit dem Daumennagel strich Dianna über die beinahe unsichtbare Linie, an der die beiden Hälften zusammentrafen, und das Medaillon sprang auf. Zwei vergilbte Schwarz-Weiß-Fotos kamen zum Vorschein, links das eines Mannes, rechts das einer Frau. Dianna seufzte unwillkürlich. Ihre Eltern. Ihre Mutter und ihr richtiger Vater.
    Schweigend betrachtete sie die Gesichter. Wie immer weckten sie eine Mischung aus Trauer und Verwirrung in ihr, in die sich ein Anflug von Zorn mischte. Der Psychologe hatte Monate gebraucht, um sie davon zu überzeugen, dass ihr Zorn eine gesunde, verständliche Reaktion auf ihre Lebensumstände sei. Verstandesmäßig sah sie dies ein. Vom Gefühl her bereitete ihr die Tatsache, dass sie nicht für die Sünden ihrer Eltern verantwortlich war, jedoch immer noch Schwierigkeiten.
    Dianna klappte das Medaillon wieder zu, legte es zurück und schob das Kästchen tief zwischen ihre Wäsche. Verärgert über ihre plötzliche Sentimentalität verschloss sie den Koffer und stellte ihn in die dunkelste Ecke des Kleiderschranks. Sie hatte jahrelang gebraucht, um die Vergangenheit zu überwinden. Als sie sich auf Hals Täuschungsmanöver einließ, hatte sie beschlossen, dass ab sofort kein Platz mehr für wehmütige Erinnerungen in ihrem Leben wäre.
    Jetzt reicht es mit der Wehleidigkeit, murmelte Dianna vor sich hin. Seit zwei Monaten habe ich mich darauf vorbereitet, in dieses Haus zu gelangen. Seit sechs Wochen ertrage ich Hals Gesellschaft, damit es mir unerkannt gelingt. Andrew ist in Tallahassee. Wäre es nicht an der Zeit, seine Abwesenheit zu nutzen, um etwas mehr über ihn zu erfahren?
    Die Antwort auf diese Frage lag auf der Hand. Wahrscheinlich bekam sie nie wieder solch eine gute Gelegenheit, Andrew Campbells Zimmer zu durchsuchen, wie heute Nacht. Da er seit fast vier Jahren seinen Hauptwohnsitz in Florida hatte, war anzunehmen, dass sich einiges an interessantem Material zwischen seinen persönlichen Papieren fand. Ihr Plan, seine Wahl zum Gouverneur von Florida zu vereiteln, hatte noch keine festen Formen angenommen. Es fehlten noch die Einzelheiten.
    Ohne einen Gedanken an die moralische Seite ihres Vorhabens zu verschwenden, steckte Dianna den Schlüssel zum Gästehaus in die Tasche und durchquerte leise das Wohnzimmer. Hals Schnarchen stockte einen Moment und ging gleich darauf in einem gleichmäßigen Rhythmus weiter. Hal wäre furchtbar wütend, wenn er wüsste, dass er so laut schnarcht, dachte Dianna belustigt. Schnarchen passte nicht zu dem Bild eines

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