Feuerscherben
Dianna hielt ihn am Arm zurück. »Im Flur ist alles voller Rauch. Wir können durch mein Schlafzimmer gehen. Es hat eine Schiebetür zum Innenhof.«
»Das dauert viel zu lange. Wir müssen schnellstens raus. Sonst verbrennen wir bei lebendigem Leib.« Hal zerrte an den Vorhängen und stemmte sich mit aller Kraft gegen sein Fenster. »Es geht nicht auf. Verdammt, wir sitzen in der Falle!« Sein Gesicht war kreideweiß geworden.
»Das stimmt nicht. Wir können durch mein Zimmer gehen«, antwortete Dianna und drückte seine Hand, um ihn zu beruhigen. Weshalb klang ihre Stimme so kühl und beherrscht, obwohl ihre Beine derart zitterten, dass sie sich an die Wand stützen musste? »Nun komm schon, Hal.« Sie zog ihn am Arm, und er taumelte hinter ihr her, denn er hatte viel zu viel Angst, um sich mit ihr zu streiten. Hustend und keuchend führte sie Hal durch ihr Zimmer in den Innenhof.
Hal sank an das Spalierholz. »Meine Güte, das war knapp.« Er sah zu, wie der Rauch zum Himmel stieg, und richtete sich plötzlich auf. »Geh hinüber zum Pool, Schätzchen. Ich hole inzwischen Hilfe.« Nachdem die unmittelbare Gefahr vorüber war, spielte er wieder den Macho.
»Feuer! Feuer!« Hal rannte in Richtung Haupthaus, schrie aus Leibeskräften und trommelte an alle erreichbaren Türen und Fenster.
Dianna hielt sich nicht an seinen Rat, zum Pool zu gehen. Regungslos blieb sie in der Mitte des Patios stehen. Zu spät erkannte sie, dass sie Hal einen Morgenmantel zugeworfen hatte, selber aber nur ein schenkellanges T-Shirt und einen Baumwollslip trug.
Es ist noch genügend Zeit, meine Kleider zu retten, stellte sie fest. Die Glastür zu ihrem Zimmer stand offen, und außer im Wohnzimmer waren keine Flammen zu sehen. Sie ging zwei oder drei Schritte und zitterte plötzlich am ganzen Körper. Ihre Füße weigerten sich strikt, sie in das Gästehaus zurückzutragen. Schweigend legte Dianna die Arme um sich und betrachtete das brennende Gebäude.
Seltsam, abgesehen von dem flackernden goldroten Schein hinter den Wohnzimmerfenstern, sah das Haus völlig normal aus. Wie hypnotisiert starrte Dianna auf die Flammen und war außerstande, den Blick von dem Feuer zu wenden.
Bei Hals Rufen waren überall im Haupthaus die Lichter angegangen. Leute in unterschiedlichster Bekleidung eilten in den Patio und sammelten sich um den Pool. Wie von fern bemerkte Dianna die Hausangestellten, die sich in kleinen Gruppen erschrocken auf Spanisch unterhielten. Sie hörte, wie Hal jemanden anwies, die Feuerwehr zu rufen, und Ben ruhig antwortete, das sei schon geschehen. Dazwischen erklang Rogers wütende Frage, weshalb sich der Feuermelder nicht eingeschaltet hätte.
Das ist eine gute Frage, dachte Dianna und rührte sich immer noch nicht. In jedem Raum des Gästehauses gab es einen Rauchmelder. Das hatte sie festgestellt, als sie das Gebäude nach Wanzen absuchte. Weshalb hatte sich kein einziges Gerät eingeschaltet? Was sollte das ausgeklügelte elektronische Alarmsystem, wenn es nicht einmal bei offenen Flammen funktionierte?
Dianna war nicht wach genug, um eine Antwort auf diese Frage zu finden. Benommen ließ sie das geschäftige Treiben an sich vorübergleiten und war froh, dass man sie nicht beachtete. Vielleicht hielt sie ja durch, wenn sie von niemandem angesprochen wurde.
»Wo zum Teufel bleibt die Feuerwehr? Angeblich braucht sie nur sechs Minuten bis hier! Wann hast du angerufen, Ben?«
Andrews Stimme.
Andrew? Der Name dröhnte in Diannas Schädel und erfüllte sie mit Angst. Andrew durfte doch gar nicht hier sein.
Er sollte in Tallahassee sein und sich auf seine Wahl zum Gouverneur des Staates Florida vorbereiten. Erstaunt fuhr Dianna herum.
Sie hatte sich nicht geirrt – als könnte sie sich bei dieser wohlklingenden aristokratischen Stimme jemals täuschen. Andrew Campbell hatte seine Hausangestellten eine lange Kette bilden lassen. Einen Eimer Wasser nach dem anderen reichten sie vom Pool zum Gästehaus. Er arbeitete genauso hart wie die übrigen und schwitzte von der Anstrengung, Wasser aus dem Pool zu schöpfen. Dieser Punkt ging an ihn. In Krisen bewährte er sich großartig. Die Medien würden gewiss erfahren, was für ein Held er heute Nacht gewesen war.
Dianna fröstelte plötzlich. Es war empfindlich kühl geworden. Seltsam, dass es im Sommer so kalt in Florida werden konnte. Sie rieb erst den einen, dann den anderen kalten Fuß an ihrer Haut und betrachtete erneut das Gästehaus. Trotz der Bemühungen von Andrew
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