Feuerscherben
von heute Nacht, ja? Bisher haben wir alle möglichen Vermutungen angestellt, ohne das Geringste beweisen zu können. Vielleicht sollten wir lieber warten, bis der offizielle Bericht vorliegt.«
Dianna schwieg einen Moment. Dann lachte sie bitter, stand auf und ging zum Fenster. Sie presste die Stirn an die Scheibe und sah schweigend zu den verkohlten Wänden des Gästehauses hinüber. »So hatte das eigentlich nicht werden sollen«, sagte sie endlich leise. »Als ich nach Florida kam, dachte ich … «
»Dachten Sie was?«
Nervös trommelte sie mit den Fingern an das Glas. »Nichts. Es ist nicht wichtig. Es ist nicht so gelaufen, wie ich erwartet hatte. Das ist alles.«
»So etwas ist bei Täuschungsmanövern häufig der Fall.« Inständig wünschte Ben, Dianna würde sich jetzt umdrehen und schwören, dass sie nichts mit Hals Machenschaften zu tun hätte. Aber natürlich tat sie es nicht. Er kannte sie inzwischen gut genug, um sie wissen, dass sie ihr Verhalten oder die Reinheit ihrer Motive niemals verteidigte. Meistens schien es ihr sogar Spaß zu machen, die absolute Unglaubwürdigkeit ihrer Behauptung, die verschollene Campbell-Erbin zu sein, herauszustreichen.
Ihre Körper spiegelten sich als verschwommene Silhouetten in dem dunklen Fenster. Als sie endlich antwortete, sprach Dianna zu seinem Bild und nicht direkt zu ihm. »Weshalb sind Sie davon überzeugt, dass ich eine Betrügerin bin, Ben?«
Er öffnete den Mund, um einige der zahlreichen Gründe aufzuzählen, weshalb sie nicht Claire Campbell sein konnte. »Ich bin durchaus nicht davon überzeugt, dass Sie eine Betrügerin sind«, hörte er sich sagen.
Sie lächelte kläglich. »Das hatten Sie eigentlich nicht antworten wollen, nicht wahr?«
»Nein«, gab er zu, und ihre Blicke begegneten sich in der dunklen Fensterscheibe. Dianna sah ihn wehmütig, ja beinahe sehnsüchtig an. Er blinzelte, um diesen Eindruck zu vertreiben. Doch es gelang ihm 1 nicht.
Seit wann schließe ich eigentlich die Möglichkeit nicht mehr aus, dass Dianna Mason doch Claire Campbell ist?, überlegte er. Die Antwort lag auf der Hand: Seit ihr überwältigender Sex-Appeal auch noch seinen restlichen gesunden Menschenverstand zerstörte. Abrupt wandte er sich ab und goss sich ein weiteres Glas Orangensaft ein. Es war ein Vorwand, um Dianna nicht mehr ansehen zu müssen und eine Beschäftigung für seine Hände zu haben.
»Denken Sie bitte einmal einen Moment nach«, fuhr Dianna fort. »Falls Claire noch lebt und unbedingt zu ihrer Familie zurückkehren möchte, wie konnte sie ihre Identität zur Zufriedenheit aller beweisen?«
Ben merkte, dass sie in der dritten Person von Claire sprach. Ein Versprecher? Oder war es der Versuch, das Gespräch von dem persönlichen Fall auf eine abstraktere Ebene zu lenken? Er war sich nicht sicher. »Es würde Dokumente geben … «, begann er.
»Nein.« Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass sie ungeduldig den Kopf schüttelte. »Das wäre ziemlich unwahrscheinlich. Claire besitzt keine Papiere oder persönlichen Schriftstücke. Sie verbrannten, oder sie hatte sie in Vermont nicht dabei. Darüber haben wir schon mehrmals gesprochen.«
»Dann bleibt nur noch der Bluttest«, erklärte Ben.
Sie lächelte spöttisch. »Und wenn Claire sich diesem Bluttest nicht unterziehen möchte?«
Er sah sie wieder an. »Ich könnte mir keinen Grund vorstellen, weshalb die echte Claire Campbell sich gegen diese naheliegende Möglichkeit, ihre Identität zu beweisen, wehren sollte.«
Dianna strich sich mit dem Handrücken über die Augen. »Wissen Sie, was Ihr Problem ist, Ben? Sie besitzen nicht genügend Fantasie. Ihre Meinung über die menschliche Natur ist absolut spießig.«
Was zum Teufel soll das denn heißen?, überlegte Ben und sah zu, wie Dianna auf die Fensterscheibe blies und ein Muster auf die beschlagene Stelle malte. C. C. Sie hatte Claires Initialen geschrieben.
Wütend wischte sie die Buchstaben mit dem Arm fort und, fuhr herum. »Mal abgesehen davon, ob ich Claire Campbell bin oder nicht: Haben Sie sich nie gefragt, was mit ihr passiert ist? Haben Sie jemals überlegt, weshalb sie in jener Nacht verschwunden ist und nicht nach Hause zurückkehrte?«
»Natürlich habe ich mich das gefragt. Andrew und Evelyn haben fast zwei Jahre … «
Sie unterbrach ihn mit einer heftigen Handbewegung. »Ich möchte nur wissen, was Sie darüber denken. Wenn ich nicht Claire bin, wo ist sie dann? Weshalb kam sie nicht zurück? Seit dem Brand in
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