Feuerscherben
durch das schmiedeeiserne Tor, das Diannas kleinen Vorgarten von der Straße trennte. Ein Cadillac mit getönten Scheiben fuhr vor und hielt vor Sonyas Wagen an. Andrew setzte sich auf den Beifahrersitz. Sonya sah zu, wie die Limousine anrollte, und betrat seufzend das Atelier. »Wo bleibt der Whiskey, Kind? Ich kippe um, wenn ich nicht bald einen Drink bekomme.«
Dianna öffnete ihren Schrank. »Ich habe nur noch Wodka da und eine Flasche Brandy, die noch von letzten Weihnachten übrig geblieben ist.«
»Wodka ist genau richtig. Bitte mit Eis und einem Schuss Zitrone.«
»Die Sache mit Hal ist entsetzlich«, sagte Dianna. Sie reichte Sonya ein Glas und goss sich selber eine schwache Mischung aus Wodka und Tonicwater ein. »Niemand hat es verdient, mit einer Kugel im Rücken zu enden. Es tut mir entsetzlich leid, Sonya. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Du hast Hal so lange gekannt. Sein Tod muss schrecklich für dich sein.«
»Ja, die ganze Woche war irgendwie verhext. Hal war ein Ekel, aber er war mir ähnlich, wenn du verstehst, was ich meine. Wir gingen gemeinsam aufs College und halfen uns gegenseitig über die erste schwierige Zeit hinweg. Wir machten uns beide nichts vor. Als Studenten aus Wyoming mussten wir noch eine Menge lernen. Meine Güte, ich wusste nicht einmal, dass ich lesbisch war, bevor ich aufs College kam. Anschließend drehte ich beinahe durch. Hal musste mir im ersten Jahr oft Händchen halten. O Mist. Weshalb hat er dem blöden Kerl bloß die Tür geöffnet?«
Sonya erwähnte ihre sexuelle Veranlagung normalerweise nicht. Hals Tod musste sie tief getroffen haben. Selbst ihr Gespräch mit Andrew Campbell war merkwürdig zahm verlaufen. Dianna hatte erwartet, dass die Freundin den Politiker wegen seines Ziels einer ökologisch sinnvollen Landerschließung dort packen würde, wo er aufgrund des aggressiven Vorgehens seiner Firma in früheren Jahren am verletzlichsten war. Stattdessen hatte sie ihm die nicht endende Frage nach Homosexuellen in der Armee gestellt, und Andrew hatte nicht einmal so getan, als wollte er ihr antworten. Schlimmer noch, sie hatte ihn mit seinen Ausflüchten davonkommen lassen.
Sonya trank einen Schluck Wodka und war zu nervös, um still zu sitzen. »Was wollte Andrew Campbell von dir?«, fragte sie und blieb vor den vier neuen Schalen stehen. Bewundernd strich sie mit dem Finger über die größte. »Die hier ist übrigens wunderschön.«
»Danke.« Dies war nicht der richtige Augenblick, um Sonya von ihrem Verdacht zu erzählen, Hal wäre aus Rache in ihr Atelier eingebrochen und hatte ihre Arbeit eines ganzen Monats vernichtet. »Ich weiß nicht, was Andrew von mir wollte. Er behauptete, er müsse mit mir reden.«
»Glaubst du tatsächlich, dass er etwas mit dem Mord an Hal Doherty zu tun hat, oder hast du ihm die Beschuldigung nur ins Gesicht geschleudert, weil du den Mann nicht ausstehen kannst?« Aus einem merkwürdigen Grund schien sie Dianna nicht in die Augen sehen zu wollen.
»Es stimmt, ich war wütend«, gab Dianna zu. »Deshalb bin ich zum Angriff übergegangen. Andererseits glaube ich, dass er durchaus imstande gewesen wäre, für Hals Ermordung zu sorgen, wenn er sich einen Vorteil davon versprochen hätte. Schließlich hat er schon einen Mord auf dem Gewissen.« Sie rührte ihren Wodka und das Tonicwater mit dem Finger um und stellte fest, dass sie schon wieder bei dem Thema waren, das gestern zu dem Streit mit Sonya geführt hatte.
Natürlich griff die Freundin den Faden sofort auf. »Du glaubst, dass Andrew zu einem Mord imstande ist, weil du davon überzeugt bist, dass Claire Campbells Geschichte stimmt. Du bist sicher, dass er das Blockhaus in Vermont angezündet hat, obwohl er wusste, dass seine Tochter anwesend war.«
Dianna holte bebend Luft. »Ja. Ich bin davon überzeugt, dass er Claire ermorden wollte.«
»Und was soll sein Motiv gewesen sein? Hat sie dir das ebenfalls gesagt?«
»Geld«, antwortete Dianna lakonisch. »Andrews Bruder Douglas hatte Claire sein Vermögen vererbt. Die Regelung sah vor, dass der gesamte Treuhandfonds bei Claires Tod an Andrew fiel.«
Sonya zerkaute einen Eiswürfel. »Wozu braucht Andrew so viel Geld? Er ist doch selber stinkreich.«
»Wenn man Präsident der Vereinigten Staaten werden möchte, kann man gar nicht reich genug sein«, sagte Dianna. »Zwanzig Millionen Dollar wären ein schöner Zuschuss für seinen Wahlkampf.«
Sonya trank ihren restlichen Wodka in einem Schluck aus. »Ein Mann
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