Feuerscherben
ahnen.«
»Di!«, flüsterte Sonya entsetzt. »Beruhige dich, Kind.« Die Nachricht von Hals Tod musste Sonya völlig aus der Fassung gebracht haben. Normalerweise hätte sie sich wie eine Tigerin auf Andrew gestürzt. Nicht, weil sie ihn tatsächlich verdächtigte, den Mord begangen zu haben, sondern aus der grundsätzlichen Überzeugung, dass jeder Politiker etwas zu verbergen hatte, was ein Reporter aufdecken musste.
Erneut wurde Andrew unter seiner gebräunten Haut blass. »Lassen Sie nur, Miss Harvey. Ich merke ja, wie verstört – Miss Mason ist. Hal Doherty war in meinen Augen gewiss kein liebenswerter Mensch. Aber ich bringe keine Leute um, nur weil ich sie nicht leiden kann. Sonst würden ich jede Menge Leichen auf meinen Fahrten durch das Land hinterlassen.«
»Vielleicht gibt es die ja«, antwortete Dianna. Jetzt, wo Sonya zuhörte, hatte sie wieder genügend Mut, um Andrew herauszufordern.
Er betrachtete sie nachdenklich. »Wahrscheinlich sollte ich jetzt dankbar sein, dass ich einen straffen Terminplan für meinen Wahlkampf habe«, sagte er. »Glücklicherweise war mein gestriger Tag bis zur letzten Minute ausgefüllt. Ich war tagsüber in Florida und flog abends zu einem Essen mit dem Bürgermeister nach New York. Länger als zehn Minuten war ich niemals allein.«
Andrew war kein Dummkopf. Und bei einem so leicht nachzuprüfenden Alibi wie einem Wahlkampftermin die Unwahrheit zu sagen, wäre dumm gewesen. Seltsamerweise war Dianna plötzlich erleichtert, dass Andrew Campbell Hal nicht umgebracht haben konnte. Vielleicht brauchte sie die Schuld an Hals Tod doch nicht zu all den Lasten auf ihre Schultern zu laden, die sie schon zu tragen hatte. Sie musste endlich aufhören, sich ständig als Mittelpunkt im Leben anderer Leute zu betrachten.
Noch wies nichts darauf hin, dass Hal wegen seiner Bekanntschaft mit ihr umgebracht worden war. Die Polizei konnte recht haben mit ihrer Annahme, dass sein Tod etwas mit dem Drogenhandel zu tun hatte. Möglicherweise war Hal von einem erzürnten Dealer oder von einem Einbrecher ermordet worden. Oder von einer seiner Exfreundinnen. Davon gab es eine ganze Menge, und alle hatten gute Gründe, ihn zu verabscheuen. Dianna wagte wieder zu hoffen. Andrew wandte sich ab und wollte gehen.
»Es freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Mr. Campbell. Viel Glück für Ihren Wahlkampf«, verabschiedete Sonya sich von ihm.
»Danke.« Plötzlich lächelte er äußerst gewinnend. »Es kommt nicht oft vor, dass ich gute Wünsche von einem Journalisten erhalte.«
Sonya zuckte die Schultern. »Ich habe Ihr Regierungsprogramm gelesen und finde Ihre Ansichten sehr vernünftig. Vor allem, was die Notwendigkeit betrifft, die Umwelt zu schützen, ohne dadurch gut bezahlte Arbeitsplätze zu vernichten.«
Andrew nickte. »Ich befasse mich seit einem Vierteljahrhundert mit der Landerschließung. Daher weiß ich, dass man Projekte normalerweise auch gewinnbringend durchführen kann, ohne jeden Baum in der Umgebung zu fällen oder jedes Moor trockenzulegen. Ich möchte erreichen, dass die interessierten Gruppen sich nicht mehr gegenseitig bekämpfen, sondern aufeinander hören. Manchmal steigt der Geräuschpegel bei kontroversen Themen so, dass die mäßigenden Stimmen untergehen.«
»Wie bei dem Thema Homosexuelle in der Armee?«, forschte Sonya nach. »Das scheint ebenfalls viel Lärm zu erzeugen, ohne dass etwas dabei herauskäme.«
»Ja, in der Tat.« Andrew lächelte immer noch verbindlich. »Allerdings muss ich gestehen, dass ich mich nicht sonderlich mit diesem Problem befasst habe. Wir Politiker müssen uns auf bestimmte Bereiche konzentrieren, sonst sind wir am Ende über ein Dutzend Themen halb informiert und beherrschen keines wirklich. Ich besitze besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Landerschließung und der Umwelt, weil ich mich während meines ganzen Berufslebens damit beschäftigt habe.«
Sonya zog heftig an ihrer Zigarette. »Angesichts Ihres Dienstes in der Kriegsmarine hatte ich angenommen, dass Sie eine sehr konkrete Meinung über Homosexuelle in der Armee hätten.«
»Nein, das habe ich nicht«, antwortete Andrew. »Meiner Ansicht nach sollte man militärische Angelegenheiten den Führungskräften in der Armee überlassen, und natürlich dem Oberkommandierenden. Auf Wiedersehen, Miss Harvey. Ich hätte mich gern noch langer mit Ihnen unterhalten. Aber ich muss ins Hotel zurück, bevor mein Wahlkampfmanager einen Suchtrupp nach mir ausschickt.«
Andrew trat
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