Feuerschwingen
Sendungsbewusstsein . Das Beste würde sein, so schnell wie möglich zu lernen, wie man sich vor Mithörern schützte. Doch von wem? Lucian zu fragen, erschien ihr wenig sinnvoll. So gut kannte sie ihn inzwischen, um zu ahnen, dass er sich stets eine Hintertür offen hielt.
»Wohin fahren wir eigentlich?«
»Warte es ab. Wir sind gleich da.«
Vor ihnen erstreckte sich bunt getupftes Wiesengrün . Wäre es nicht von niedrigen Steinwällen durchzogen gewesen, man hätte sich der Illusion hingeben können, durch nahezu unberührte Natur zu reisen. Nirgendwo entdeckte sie die sonst so typischen Siedlungen oder Gehöfte, die von oben oftmals wirkten, als hätte ein Riese sie wie weiße Kieselsteine ausgestreut. Dazu schimmerte dieses unverwechselbare, weiche Licht in der Ferne, das die Nähe des Meeres verhieß. Sonnenstrahlen brachen sich im zarten Nebelschleier am Horizont, und der Wind brachte salzsatte Luft mit sich, deren Aroma sie später von spröden Lippen lecken würde und die auf der Haut brannte wie ein zu ausgedehntes Sonnenbad .
Dieser Anblick schenkte ihr einen Frieden, der sich wie Balsam auf ihre vom Mordanschlag und dem grausamen Tod zweier Menschen tief erschütterte Seele legte. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, warum ausgerechnet die Erde und erhabene Landschaften ihr schon immer Linderung gebracht hatten, obwohl sie sich so sehr nach der Luft und ihrer unendlichen Freiheit sehnte, hatten sie ihr Ziel erreicht .
Der Wagen hielt schwungvoll vor einem in die sandigen Hügel geduckten Haus. Lucian reichte ihr die Hand, und es hatte etwas merkwürdig Feierliches, als er sie über die Schwelle ins Innere geleitete. Es glich Rose Cottage auf ver blüffende Weise. Die Empore fehlte zwar, und höchstwahrscheinlich verbarg sich der Schlafbereich hinter den breiten Lamellentüren. Doch auch hier erlaubte eine großzügige Reihe ländlicher Sprossenfenster den Blick in einen kleinen Garten und zu ihrer Überraschung auf die schaumgeküssten Meereswellen. Die Einrichtung wirkte eine Spur rauer, ursprünglicher, aber deshalb nicht weniger ansprechend. Neugierig blickte sie sich um. Es gefiel ihr sogar besser als in der vergleichsweise eigentümlich distanziert wirkenden Landhauseleganz, in der sie derzeit wohnte.
Amüsiert nahm sie zur Kenntnis, wie schnell sie sich an Luxus gewöhnt hatte, seit sie mit Florence zusammenlebte. Vorher hatte sie sich nie Gedanken darüber gemacht, ob Bett und Tisch beispielsweise zu den Gardinen passten. In den schäbigen Unterkünften, in denen sie meist gehaust hatte, wäre dies ohnehin vergebliche Liebesmüh gewesen.
»Hier wohnst du also.«
»Vorübergehend. Halt mal still!« In der Hand hielt Lucian ein angefeuchtetes Küchentuch, mit dem er ihr vorsichtig übers Gesicht wischte. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Es reicht nicht. Zieh dich aus.«
»Wie?« Erschrocken machte sie ein Schritt zurück, direkt an einen der freigelegten Holzbalken. »Au! Wieso sollte ich …?« Doch dann begriff sie. »Ich bin voller Blut. Stimmt’s?«
»So schlimm ist es nicht, aber einem Vampir möchtest du jetzt lieber nicht begegnen.«
»Wo ist das Bad?«
Eilig lief Mila in die angegebene Richtung. »Und untersteh dich, mir von irgendwelchen Blutsaugern zu erzählen. Ich will das alles gar nicht wissen!«
Mit einem Blick in den Spiegel hielt sie sich nicht auf. So schnell es ging, zog sie sich aus. Die Jeans hatte kaum etwas abbekommen, aber das T-Shirt war braun gesprenkelt. Angeekelt ließ sie es fallen, stieg in die Dusche und war in Sekundenschnelle von heißem Dampf eingehüllt. Das ist der pure Luxus.
Während sie sich die Haare wusch, dachte sie an Lucian. Auf dem Duschgel war kein Etikett, doch als sie es öffnete, kam es ihr vor, als stünde er direkt neben ihr. Großzügig verteilte sie die Seife auf ihrem Körper, und es fühlte sich an, als wäre er ihr dabei behilflich. Mila legte den Kopf in den Nacken und genoss das Prickeln auf der Haut und den warmen Regen auf dem Gesicht. Am liebsten hätte sie die Dusche nie wieder verlassen, aber schließlich war sie so durchweicht, dass sie mit einem Seufzer das Wasser abdrehte.
Frische Handtücher lagen auf dem Waschtisch bereit. Obenauf ein schlichtes T-Shirt. Lucian musste zwischendurch ins Bad gekommen sein. Waren die kraftvollen Hände auf ihrem Körper doch keine Einbildung gewesen? Nie hätte sie gedacht, jemals von einem Mann so fürsorglich behandelt zu werden. Zumal dieser genau genommen ein Ehrfurcht
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