Feuerschwingen
einen ganz besonderen Schutzengel.So ganz besonders, dass er mich …« Sie verstummte.
Lucian hatte sie fallen lassen, aber das hatte er letztendlich zu ihrem Schutz getan.
»Egal. Er war jedenfalls rechtzeitig da. Sonst wäre ich jetzt tot.« Mit der Schulter konnte Mila nicht zucken, denn die war fest bandagiert. Ausgekugelt, hatte die Pflegerin gesagt, erinnerte sie sich jetzt wieder. Sie warf einen schnellen Blick auf die blonde Frau im Bett gegenüber, die offensichtlich sehr bemüht war, dem Gespräch zu folgen.
Der Mann zog die Augenbrauen zusammen, bis eine steile Falte entstand. Hätte sie nicht instinktiv gewusst, dass er ein Engel sein musste, sie hätte ihn für einen Piraten halten können. Dunkle Haare fielen ihm ins Gesicht, eine Rasur war dringend fällig, und nicht zuletzt die breite Brust über schmalen Hüften verlieh ihm eine unheilige Anziehungskraft, der sich wohl kaum ein weibliches Wesen entziehen konnte.
Als hätte er ihre Gedanken erraten, erschien ein wissender Ausdruck in seinem Gesicht. »Juna«, sagte er nur, doch seine Partnerin schien genau zu wissen, was gemeint war.
»Würdest du dich bitte darum kümmern?«
Damit war er entlassen. Begeistert wirkte er zwar nicht, dennoch wandte er sich folgsam zur Tür und verließ das Zimmer.
»Den hast du aber gut im Griff!«
Mila konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, auch wenn ihr Kiefer dabei schmerzte. Der Mann, oder vielmehr Engel, war eindeutig zu sehr von sich überzeugt, und ein Dämpfer schadete seinem Ego gewiss nicht.
»Meinst du Arian? Das täuscht. Leider kann er ausgesprochen eigensinnig sein.«
Diese Juna zog sich einen Stuhl heran. »Lucian hat eine Art an sich, die ihn häufig zur Weißglut bringt, sodass er überreagiert«, fügte sie hinzu.
»Das wundert mich nicht«, erwiderte Mila spontan und hätte am liebsten in dem Lächeln gebadet, dass ihr der Engel nun schenkte. Gern hätte sie die momentane Vertrautheit genutzt, um zu erfahren, wer oder vielmehr was Lucian eigentlich war, doch das musste warten. Hier im Krankenhaus, das begriff auch sie, war nicht der passende Ort dafür.
»Wir wären in jedem Fall gekommen, sobald wir von deinem Unglück gehört hätten. Und nun stellt sich heraus, dass er recht hat. Du solltest unbedingt in eine andere Klinik verlegt werden.«
Den letzten Satz hatte sie etwas lauter gesprochen und dabei die blonde Mithörerin angesehen.
»Wenn er das sagt.«
Lucian würde etwas zu hören bekommen … falls er sich noch einmal sehen ließe. Allmählich verstand sie, warum Arian ihn nicht besonders schätzte. Niemand ließ sich gern Vorschriften machen.
Juna hatte ihr Mienenspiel offenbar richtig gedeutet und lachte. »Oh, sie mögen sich. Die beiden wissen nur nicht, wie sie es einander zeigen sollen.«
»Männer!« Unwillkürlich beantwortete Mila das fröhliche Lachen zumindest mit einem Lächeln, und dabei ging es ihr gleich besser.
»Ich sehe, ihr habt euch bereits verbündet. Das wird deinen Schutzengel bestimmt freuen.«
Arian war zurückgekehrt, und bei dem Wort Schutzengel sah er aus, als müsste er in eine Zitrone beißen.
Seine Freundin grinste nur und öffnete die mitgebrachte Tasche, aus der sie eine Jogginghose hervorzog, die garantiert nicht ihr gehörte. Dafür war sie viel zu groß. Nach einem Blick auf Arian wusste Mila, wem sie das Kleidungsstück zu verdanken hatte, das sie nun offenbar anziehen sollte. »Wo sind meine Sachen?«
»Die wirst du nicht tragen wollen. Sieh selbst!«, kam Juna ihrer Frage nach dem Warum zuvor und zog eine schmutzige Jeans aus dem Schrank, danach ihr Lieblings-T-Shirt.
Mitten durch die Flügel des stilisierten Adlers, den sie so sehr mochte, ging ein hässlicher Riss. Mit einem gemurmelten Fluch ließ sie sich schließlich in die Hose helfen, und weil das unsagbar wehtat, folgten ein paar weitere Flüche, die dazu angetan waren, einen Engel erbleichen zu lassen.
Diese beiden jedoch nahmen kaum Notiz von ihrer derben Sprache, im Gegenteil: Junas Hände fühlten sich an wie Balsam auf ihrer Haut, und am Ende war Mila froh, dass die geliehene Kleidung nicht zu eng saß.
Ohne Umstände hob Arian sie in den mitgebrachten Rollstuhl, und ihr blieb gerade noch Zeit, sich von den staunenden Zimmergenossinnen zu verabschieden, da waren sie bereits unterwegs zum Ausgang.
Am Parkplatz angekommen, ließ sie vorsichtig die Luft entweichen, die sie auf dem letzten Stück angehalten hatte, um keine peinlichen Schmerzenslaute von sich zu
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