Feuersee
sich
anschließend wieder zurückgezogen
hatte, hob der Herrscher genießerisch den Becher und wollte
trinken. Sein Blick
begegnete den Augen des Kanzlers, und seufzend setzte er den Becher
wieder ab.
»Was ist denn, Pons? Eure saure Miene verdirbt
Uns die Freude an diesem ausgezeichneten Tropfen.«
»Vergebung, Sire, aber ich frage mich, ob Ihr
diese Sache nicht zu sehr auf die leichte Schulter nehmt.«
Der Kanzler trat
näher und senkte die Stimme, obwohl sie allein waren, von den
Wiedergängern
abgesehen. »Der zweite Mann, der den Prinzen begleitet, ist
auf seine eigene
Art äußerst ungewöhnlich! Vielleicht
ungewöhnlicher als der, der entkommen ist.
Ich glaube, Ihr solltet die Gefangen bringen lassen, jetzt
gleich.«
»Ihr laßt schon die ganze Zeit vage
Andeutungen
bezüglich dieses Mannes fallen. Heraus damit, Pons! Was ist so
– ungewöhnlich
an ihm?« Der Kanzler zögerte mit der Antwort und
überlegte, wie er die größte
Wirkung erzielen könnte. »Majestät, ich
habe ihn schon einmal gesehen.«
»Ich bin mir über das weit gespannte Netz
Eurer
sozialen Beziehungen im klaren, Pons.« Von Stalagma wurde
Kleitus immer
sarkastisch.
»Nicht in Nekropolis, Sire. Auch nicht in der
Umgebung. Ich sah ihn heute morgen – in der Vision.«
Der Herrscher stellte das Glas mit dem
unberührten Inhalt wieder auf das Tablett neben seinem
Ellenbogen. »Wir werden
ihn empfangen – und den Prinzen.«
Pons verneigte sich. »Sehr wohl, Sire. Soll man
sie hierher bringen oder in den Audienzsaal?«
Der Herrscher schaute sich in dem Zimmer um. Das
sogenannte Spielzimmer war erheblich kleiner und gemütlicher
als der prunkvolle
Audienzsaal, mehrere von Künstlerhand gestaltete Gaslampen
verbreiteten ein
angenehmes Licht. Zahlreiche Kairngras-Tische standen im Raum verteilt,
auf der
Platte eines jeden befanden sich vier Stapel weißer
Knochenwürfel, versehen mit
roten und blauen Runen. Gobelins mit den Szenen verschiedener
berühmter Schlachten
hingen an den Wänden. Das Zimmer war trocken, anheimelnd und
warm. Beheizt
wurde es mittels eines gußeisernen, mit Gold verzierten
Röhrensystems und
Dampf.
Der gesamte Palast wurde mit Dampf beheizt, eine
Neuerung aus jüngerer Zeit. Früher hatte der Palast
– ursprünglich eine Festung
– keiner technischen Hilfsmittel bedurft, um behagliche
Lebensbedingungen zu
bieten. In den alten Flügeln fanden sich stellenweise noch
Spuren der Runen und
Glyphen, die die Bewohner mit Wärme, Licht und reiner Luft
versorgt hatten. Die
meisten dieser Runen, deren Bedeutung in Vergessenheit geraten war,
hatte man
absichtlich von den Wänden getilgt. Nach Meinung der Herrscher
waren sie eine
Beleidigung für die Augen.
»Wir werden unsere Gäste hier
empfangen.«
Kleitus nahm sein Glas und setzte sich an einen der Spieltische, wo er
müßig
die Steine aufzustellen begann, wie als Vorbereitung zur ersten der
allabendlichen Partien.
Pons winkte einem Diener, der einem Posten
winkte, der durch die Tür verschwand und wenige Augenblicke
später mit einer
Abteilung Soldaten wiederkehrte, die die Gefangenen zwischen sich
führten. Der
Prinz betrat den Raum in stolzer, trotziger Haltung. Zorn schwelte wie
glühende
Lava unter der kühlen Oberfläche höfischer
Etikette. Eine Hälfte seines Gesichts
war blutunterlaufen, er hatte eine geschwollene Lippe, seine Kleider
waren
zerrissen, seine Haare zerrauft.
»Erlaubt mir vorzustellen, Sire: Prinz Edmund
von Kairn Telest«, verkündete Pons.
Der Prinz neigte leicht den Kopf. Er verbeugte
sich nicht. Der Herrscher hob den Blick vom Spielbrett und betrachtete
den
jungen Mann mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Auf die Knie vor Seiner erhabenen
Majestät!«
zischte der entsetzte Kanzler.
»Er ist nicht mein König«,
erwiderte Prinz
Edmund. »Als Herrscher von Kairn Telest entbiete ich ihm
meinen Gruß und
erweise ihm die gebührende Ehre.« Wieder neigte er
mit höfischem Anstand den
Kopf.
Um die Lippen des Herrschers spielte ein
Lächeln. Er schob den nächsten Runenstein an seinen
Platz auf dem Brett.
»Wie ich hoffe, daß Seine
Majestät mir Ehre
erweist«, fuhr Edmund fort und runzelte die Stirn,
während ihm die Zornesröte
in die Wangen stieg, »als dem Prinzen eines Landes, das jetzt
unverschuldet ins
Elend geraten ist, aber einst schön war, reich und
mächtig.«
»Ja, ja«, sagte der Herrscher und tippte
sich
mit einem Runenstein
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